SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

30MRZ2020
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Das Coronavirus hat in nur wenigen Wochen etwas Unvorstellbares geschafft. Es hat unserem Leben die Geschwindigkeit entzogen. Und darin liegt auch eine Chance. Neben allem, was jetzt schwierig ist, und immer mehr Mensch schwer zu schaffen macht.
Vor zwei Wochen habe ich mich von meinen Kolleginnen und Kollegen verabschiedet. Ins home-office, ins Büro nach Hause also. Für unbestimmte Zeit; „Bleibt gesund und bis irgendwann“ habe ich gesagt. Ich habe mich seltsam gefühlt dabei. Was jetzt? Was kommt auf mich zu? Ein Ratschlag des heiligen Vinzenz von Paul begleitet mich seither durch diese Zeit: Wenn wir vor besonderen Herausforderungen im Leben stehen, dann empfiehlt er uns diese folgendermaßen anzunehmen: „Mit nüchternem Realismus und grenzenlosem Gottvertrauen“.

Der nüchterne Realismus verlangt jetzt von mir, und sicher von ganz vielen Menschen: kühlen Kopf und den Alltag mit Kindern zuhause organisieren; eine Balance finden zwischen Arbeiten, Lernen, Haushalt, spielen und Medienkonsum – dabei die Großeltern im Blick behalten. Auf den Mann und Vater müssen wir noch mehr als bisher verzichten; auch da sind wir nicht alleine. Für Ärzte und Krankenschwestern gibt es gerade wenig Pausen.
Und danach, wenn alles vorbei ist, was kommt dann? Wie sieht das Leben nach Corona aus?
Da kommt mein Gottvertrauen ins Spiel; die Hoffnung, dass wir am Ende dieser Zeit eine andere Gesellschaft sein werden. Es sind zwei Dinge, die mich dabei zuversichtlich machen. Das eine ist die große Hilfsbereitschaft, die sich in den Städten und Gemeinden organisiert. Nachbarn ebenso wie Fremde unterstützen ältere Menschen oder Mitbürger in Quarantäne. Viele bringen ganz unkompliziert ihre Talente ein: Musiker geben Wohnzimmer-Konzerte und per Live-Stream kann jeder dabei sein. Eine Theaterschauspielerin betreut Kinder, sie hat Zeit weil sie nicht auftreten kann. Ich finde das großartig!


Und dann spüre ich diese Ruhe. Wahrscheinlich bin ich nicht die Einzige, die sich auch ein bisschen über die Zwangspause freut. Von heute auf morgen bin ich aus meinem Hamsterrad geschleudert worden. Ich komme ganz langsam zur Besinnung. Und hier entsteht Raum. Für Fragen und für Antworten. Will ich so weitermachen wie bisher? Worauf kommt es mir an? Ich hoffe, dass auch die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft das Bedürfnis haben, neu zu denken. Dieser Stillstand ist mehr als eine Pause.


Ich sehe die Satellitenbilder aus dem Weltall. Sie zeigen, dass die CO-2 Emissionen über China und Norditalien sehr stark zurückgegangen sind. Klimawandel ist machbar! Corona gibt uns einen Fingerzeig! Kommen Sie gut durch die nächste Zeit! Mit nüchternem Realismus und grenzenlosem Gottvertrauen.

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