SWR2 Wort zum Tag

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21MRZ2020
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Ich habe schon viele Entscheidungen in meinem Leben getroffen. Jeden Tag unzählige. Die meisten haben nur für den Augenblick Bedeutung. Ob ich Tee oder Wasser trinke. Welche Milch ich einkaufe. Wann ich morgens aufstehe. Doch einige Entscheidungen waren echte Weichenstellungen. Die Entscheidung für eine Ausbildung, für Partnerschaft und Familie, für Kinder, für einen bestimmten Wohnort. Mit all diesen großen Entscheidungen habe ich mich festgelegt. Klar: Auch hier kann sich vieles verändern. Aber erst einmal habe ich mich für große Auswirkungen entschieden.

Trotzdem erlebe ich immer wieder Situationen, in denen ich mich selbst in Frage stelle. Habe ich wirklich immer überblickt, welche Reichweite meine Entscheidungen hatten? Konnte ich mich überhaupt richtig entscheiden? Kinder zum Beispiel: Ich habe nie überblickt, was Kinder eigentlich für eine Aufgabe sind.

Dazu passt ein Interview, das ich in der Zeitung lese. Darin erzählt eine Wissenschaftlerin, dass das Leben ohne Kinder glücklicher macht, für Beziehungen besser ist. Und außerdem ökologischer. Die erste Reaktion von mir: Blödsinn. Aber ich komme ins Nachdenken: War das richtig, Kinder zu bekommen? Habe ich wirklich selbst mein Glück verringert, was verpasst, mich um ein besseres Leben gebracht?

Ich bin sicher: Ich habe mich richtig entschieden. Klar: Kinder sind eine riesige Herausforderung. Aber ich habe unheimlich viele glückliche, überraschende Momente mit den Kindern erlebt habe. Ich habe überhaupt nicht das Gefühl habe, dass etwas zu kurz gekommen ist. Im Gegenteil: Ich bin reich beschenkt worden.

Das Gefühl, etwas verpasst zu haben, die falschen Entscheidungen getroffen zu haben, kann sich nur einstellen, weil es viele Möglichkeiten gibt. Ich habe immer wieder eine dieser Möglichkeiten gewählt. Und damit alle anderen ausgeschlossen. Das passiert bei jeder Entscheidung. Damit muss ich leben. Deshalb glaube ich: Letztlich geht es um die Kunst, zufrieden sein zu können, mit dem, was ist. Klar, gibt es auch schlechte Entscheidungen. Entscheidungen, die ich nie mehr rückgängig machen kann. Aber auch hier kann ich versuchen, mich mit ihnen zu arrangieren. Denn sie sind und bleiben ein Teil meines Lebens. Mit ihnen muss ich leben lernen.

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