SWR2 Wort zum Tag

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16MRZ2020
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Manchmal fehlt mir der Schwung und ich fühle mich müde und kraftlos. Wenn ich körperlich erschöpft bin, brauche ich einfach ein bisschen Ruhe und Erholung. Aber es kann auch ein seelischer Zustand sein, wenn Enttäuschungen und Resignation die Oberhand gewinnen und mir einreden: „Es hat ja doch keinen Sinn, so oft habe ich es versucht, aber ohne Erfolg, ich kann ohnehin nichts ausrichten“. Das kann so weit gehen, dass es mich regelrecht lähmt. 

Manchmal sind es Erfahrungen in meinem unmittelbaren Umfeld, die dazu führen. Wenn ich mich immer wieder über die gleichen Unzulänglichkeiten ärgere bei andern oder auch bei mir selbst. Aber oft sind es Probleme, auf die ich wenig Einfluss habe. Etwa die Entwicklung in unserer Gesellschaft zu immer mehr Egoismus: Hauptsache mir geht es gut. Hauptsache, meine Meinung wird gehört. Und der blinde Hass gegen andere Menschen – nur weil sie eine andere Herkunft, Kultur oder Religion haben. Das macht mir Angst. Und ich fühle mich ohnmächtig. Was kann ich dagegen schon ausrichten?

Gott-sei -Dank gibt es auch die anderen Momente, wo dieses lähmende Gefühl überwunden wird. Wenn ich Menschen begegne, die eine Vision haben und sich dafür einsetzen. Etwa für gegenseitige Offenheit und ein gutes Miteinander verschiedener Kulturen in einem Stadtviertel, oder für politische Auseinander-setzungen, in denen auch die Meinungen von anderen respektiert werden.

Es reicht ihnen nicht, nur für ihr kleines, privates Glück zu leben. Sie glauben, dass Veränderungen möglich sind, dass Menschen nicht nur egoistisch handeln, sondern auch offen sind für größere Ziele, die vielen zugutekommen. Auch wenn es sie etwas kostet. Ich spüre, wie diese Menschen voller Energie sind,  weil sie von einer Idee erfüllt sind. Sie glauben an etwas, etwa an Gerechtigkeit, und das gibt ihrem Tun eine Zuversicht, die ausstrahlt  und die stärker ist als das lähmende Gefühl meiner Bedenken und meiner Ängste. Daran möchte ich teilhaben.  

Dann liegt es an mir, ob ich bereit bin, mich davon anstecken zu lassen und diese Dynamik an andere weiterzugeben. Oder ob ich mir einrede, dass ich zu unbedeutend bin und es auf mich nicht ankommt. Das ist natürlich auch bequem. Aber um die Lähmung zu überwinden muss auch ich meinen Teil beitragen. Mich einmischen und Verantwortung übernehmen. Selbst zu einer Hoffnungsträgerin werden. Ob so die großen Probleme gelöst werden? Ich weiß es nicht. Aber ich halte mich an die Worte von Vaclav Havel, der gesagt hat:„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“

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