SWR4 Abendgedanken

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13MRZ2020
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An einer Ampel auf meinem Weg zur Arbeit war neulich eine kleine Kerze festgebunden. Ein Zettel waren daran geknotet. Auf dem Zettel stand: „Mach mal Pause. Du hast es Dir verdient.“

Ich war spät dran. Aber ich habe das grüne Ampelmännchen trotzdem ignoriert und die Kerze und den Zettel vorsichtig abgebunden und in die Tasche geschoben. Schon dieser Moment, diese kleine Pause, war wie eine Befreiung. Eine kleine Unterbrechung im anstrengenden Alltag.

Aber: Hatte ich mir eine Pause wirklich „verdient“? War meine Arbeit gut genug gemacht? Hatte ich meinen Kindern genug Liebe geschenkt, meinen Essensplan für die Woche ausgewogen genug aufgestellt und sollte ich – vor einer Pause – nicht vielleicht wenigstens noch das Wohnzimmer staubsaugen?

In der Bibel wird erzählt, dass Jesus ich zum Beten von den Menschen zurückzieht (Mt 14,22f; Mk 6,46). Sogar seine Jünger schickt er fort. Wollte er, der immer für alle da war, auch mal seine Ruhe? Brauchte er den Moment, um sich zu besinnen, um sich und seinen Standpunkt wieder zu finden? Oder suchte er die Nähe zu Gott, wollte er erspüren, dass da einer ist, der hinter ihm steht und ihm den Rücken stärkt?

Warum auch immer: Jesus nimmt sich die Pause, die er braucht. Vielleicht würde man das heute einfach als „Vorbeugung gegen Burn-Out“ bezeichnen. Aber das Entscheidende ist doch: Eine Pause muss man sich nicht verdienen. Man darf sie sich nehmen, wenn man sie braucht. Eine Kerze lang. Eine Ampelphase lang. Oder auch länger.

Die Kerze und der Zettel stehen jetzt auf meinem Schreibtisch. Als Erinnerung: Mach Pause, wenn du sie brauchst! Es geht nicht darum, ob du sie verdient hast.

Und auf diesem Weg möchte ich einen herzlichen Dank sagen an denjenigen, der den Zettel und die Kerze aufgehängt hat. Sie hat genau den richtigen Weg genommen!

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