SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

08MRZ2020
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Wissen Sie, was Engel und Mütter gemeinsam haben? Sie können manchmal ziemlich nerven. Plötzlich stehen sie neben dir und sagen: „Steh auf und iss!“

Keine Chance, wenn du dich dann nochmal umdrehst und die Decke über den Kopf ziehst. Sie kommen wieder. „Los! Steh auf und iss!“ Du kriechst aus dem Bett. Er riecht nach Kaffee und frischen Brötchen. Der Tisch ist gedeckt. Er schmeckt wunderbar, der Tag kann beginnen.

Gut, dass es diese „Nervensägen“ gibt. Damit ich in die Gänge komme und nicht den Tag verschlafe. Damit ich das Gefühl habe: Wird schon gehen! Damit ich wieder Lust kriege, was zu machen. „Los. Du kannst das! Ich helfe dir auch dabei. Aber aufstehen musst du selber.“ Gut, wenn mir jemand so einen Anstoß gibt. So wie früher meine Mutter. Und jetzt mein Mann. Oder meine Kollegin. Oder welchen Engel auch immer Gott mir vorbeischickt, damit ich mich auf den Weg mache.

Wunderbar, wie auch die Bibel von so einem Aufbruch erzählt: Die Geschichte von Elia, dem Mann Gottes. Elia war ein total engagierter Mann, der sich mit ganz viel Herzblut für Gott eingesetzt hat und für Gottes Gebote und der das schrecklich fand, als das alles mit Füßen getreten worden ist. Und plötzlich kann er nicht mehr! Plötzlich wird ihm das alles zu viel und er will nur noch seine Ruhe haben: Schlafen. Decke über den Kopf. Rutscht mir doch alle den Buckel runter!

Ein biblisches Burn-out? Ein Spätwinter-Blues? Männliche Wechseljahre oder Midlifecrisis? Eine tiefe Lebenskrise gar?
Wie immer. Grad dann, wenn man sich mit ganzem Herzen für etwas einsetzt, kann das passieren, dass man an einen Punkt kommt, wos einfach nicht mehr weiter geht. Man möchte dem Ehemann genauso gerecht werden wie der alten Mutter. Man möchte den Enkelkindern nicht nein sagen, wenn sie anfragen: „Opa, kannst du am Mittwoch nicht…“ Aber im Garten draußen ist jetzt auch schon wieder einiges zu tun. Es ist schon ein Spagat zwischen der Verantwortung, die man in der Firma hat und dem Engagement im Sportverein. Und irgendwann dann der Punkt: So, jetzt ist gut!
Elia, vermute ich, ist auch an so einen Punkt gekommen, als er Bilanz gezogen hat.

Vielen geht das so. Die Kinder sind aus dem Haus. Das Haus ist allmählich abbezahlt. Man sitzt beruflich fest im Sattel und hat seinen Platz im Leben. Und was jetzt noch?
Ich glaube, wer sich diesen Fragen stellt, der braucht jemanden, der einen gerade nicht in Ruhe lässt, sondern mit einer gewissen Penetranz wachrüttelt. „Los, steht auf. Das Leben ist viel zu wertvoll, um es sachte verstreichen zu lassen.“ Deshalb hoffe ich: Gott ist kreativ und weiß, welchen Engel er vorbeischicken muss, damit ich mich aufraffe und die geschenkten Jahre nutze.

 

Erstmal was essen. Hat der Engel zu Elia gesagt. Es muss gar nichts Besonderes sein. Ein paar Scheiben geröstetes Brot, ein Krug mit Wasser. Erstmal essen, dann sieht die Welt schon wieder anders aus. Auch das so etwas, was Engel und Mütter gemeinsam haben. Dieser untrügliche Sinn fürs Praktische. Eine gute heiße Suppe kann manchmal schon Wunder wirken. Ein großer Topf Spaghetti kann ein wunderbarer Seelentröster sein. Kind, iss erstmal in Ruhe, reden können wir später.Keine guten Ratschläge. Schon gar keine klugen Belehrungen. Liebe geht durch den Magen. Das machen Mütter, Ehefrauen und Omas so. Und Gott hat es auch so gemacht, als er seinen Boten, den Engel, zu Elia geschickt hat.

Durch die Kraft der Speise – so hält es die Bibel ausdrücklich fest – hat es Elia geschafft, vierzig Tage und vierzig Nächte lang durch die Wüste zu gehen, um am Ende des Weges eine ganz intensive Erfahrung mit Gott zu machen. Aber vorher, glaube ich, hat er zunächst mal ganz viele Erfahrungen mit sich selber gemacht. Da ist wieder etwas lebendig geworden. Ein neuer Schwung gewissermaßen.

Ich hoffe, dass Gottes Engel bei mir auch so etwas in Bewegung bringt, wenns nötig ist. Aber das werde ich nicht rauskriegen, wenn ich mich verkrieche und mir die Decke über den Kopf ziehe. Dafür muss ich schon aufstehen, anfangen und einfach mal losgehen.

40 Tage und sicher auch so manche schlaflose Nacht wie bei Elia – so viel Zeit muss vermutlich schon sein, um klar zu kriegen, wies denn nun eigentlich weitergeht. Nach einem Abschied z.B., nach einer Trennung. Einfach einen Haken dran mache, das funktioniert meistens nicht. Oder wenn eine wichtige Entscheidung ansteht. Nicht von ungefähr sollte man mindestens einmal drüber geschlafen haben, bevor man eine neue Aufgabe annimmt, sich zu einer komplizierten Behandlung entschließt, das große Haus verkauft und in eine kleinere Wohnung zieht.

Der Engel Gottes gibt nur den Impuls. Die fertige Lösung zu präsentieren, ist offenbar nicht sein Auftrag. Steh auf und gönn dir die Zeit, die du brauchst. Und vergiss nicht zu essen!

Kommen auch Sie jetzt mit diesem himmlischen Impuls gut in die neue Woche! Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag – und bleiben Sie behütet!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30482
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