SWR2 Wort zum Tag

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25FEB2020
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„Jetzt ist aber Matthäi am Letzten!“ herrscht vor mir eine Großmutter ihren Enkel an der Kasse an. Der Kleine hat sich ein Überraschungsei aus einem Stapel gefischt und dabei die ganze Auslage zum Einsturz gebracht.

Wenn Jemand sagt „jetzt ist Matthäi am Letzten“, dann steht es kurz vor der Katastrophe. Der letzte Punkt, die letzte Frist ist erreicht. Der Punkt vor dem Kipppunkt gewissermaßen.

Die Redensart geht auf einen Ausdruck Martin Luthers im Kleinen Katechismus, seinem Lehrbuch über den Glauben, zurück. Er schreibt: „da unser Herr Jesus Christus spricht Matthäi am Letzten…“. Luther bezieht sich dabei auf die letzten Verse des Matthäusevangeliums, das mit den Worten endet: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende“.

Manchmal habe ich auch das Gefühl, als ob „Matthäi am Letzten ist“, wenn bisher gültige Wertmaßstäbe für ein gelingendes Zusammenleben zunehmend außer Kraft gesetzt werden: Stark ist nicht mehr, wer den Kompromiss gefunden, sondern den eigenen Vorteil durchgesetzt hat. Hass und Gewalt werden als legitime Mittel der politischen Auseinandersetzung gesehen. Immer mehr Menschen wählen Autokraten und nicht Demokraten.

Die letzten Worte im Matthäusevangelium zielen aber in Wahrheit nicht auf den Untergang der Welt, sondern auf die Zusage von Jesus: Siehe, ich bin bei euch, alle Tage! Was auch geschehen mag. Aber was heißt das? Wie und wo kann ich das sehen, spüren, hoffen?

Ich sehe es in all den Menschen, die etwas gegen die Verrohung und Gewalt in der Welt tun. Menschen, die den Flüchtlingen in den Lagern beistehen. In all den jungen Leuten, die sich für den Klimaschutz und die Bewahrung der Erde einsetzen. In den Bündnissen gegen Rechtsextremismus und Rassismus. In den Ostermärschen und Kirchentagen.

Ich sehe es in den vielen Menschen, die anderen helfen. In den Krankenhäusern, Pflegeheimen und Hospizen. In Gemeinden und Initiativen. Menschen, die sich einsetzen für Barmherzigkeit, Achtsamkeit, Respekt, Liebe. Ganz im Sinne von Jesus, der gesagt hat: Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan (Mt 25,40).

Das sind Grundwerte des christlichen Glaubens und einer humanen Gesellschaft. Wenn jeder und jede sich dafür einsetzen, ist noch lange nicht Matthäi am Letzten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30352
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