Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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20FEB2020
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Jeder Mensch macht ein Gesicht! Bis vor kurzem war ich mir da ganz sicher. Das ändert sich gerade. Ich höre gerade auf, das weiter zu glauben. Denn anscheinend sind die Leute gerade dabei, ihr Gesicht zu verlieren. Und das fände ich ausgesprochen schade. Aber es ist nicht zu übersehen:

Seit die Smartphones vor allen Menschen hergehen, sie an sich binden und ihre ganze Aufmerksamkeit verschlucken, haben die Gesichter aufgehört, ganz da zu sein. Bei vielen droht akuter Gesichtsverlust.

Man ist mit der ganzen Welt verbunden, hat aber keinen Blickkontakt mehr, dort wo man gerade ist. Weder im Zug, noch an der Bushaltestelle, weder im Wartezimmer noch im Restaurant, Nirgends muss man mehr ein Gesicht machen, es gibt bald keinen Augen-blick mehr.

Aus der Entwicklungsgeschichte der Menschen wissen wir aber, dass sich zurückbildet, was nicht gebraucht wird. Demnach wären verschiedene im Moment noch vorhandene Talente vom Aussterben bedroht:

Der Flirt und das Anhimmeln, das Stirnrunzeln und das Augenzwinkern, die Liebe auf den ersten Blick und das freundliche Lichtgesicht, der Silber- und der Hundeblick, der Schmollmund und der Handkuss auch. Alles wird verschwinden, wenn wir nicht aufpassen.

Versuchen Sie heute mal in Blickkontakt zu kommen mit jemandem. Sie werden merken, wie schwer das ist. Aufsehenerregende Begegnungen sind immer unwahrscheinlicher. Und vor allem, könnte es sein, dass in Zukunft alle Menschen mit sturem Blick auf das Display nur noch den Kopf hängen lassen, den aufrechten Gang verlieren und vergessen, wie man Ausschau hält, und sich entgegen kommt.

Noch haben wir alle ein Gesicht. Aber es muss sich auch zeigen dürfen und es muss im Training bleiben, muss sich auskennen, zusehends bemüht sein, im Hier und Heute präsent zu sein.

In einem neueren Kirchenlied heißt?

„Gott gab uns Atem, damit wir leben,
er gab uns Augen, dass wir uns sehn,
Gott hat uns diese Erde gegeben,
dass wir auf ihr die Zeit bestehn.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30341
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