SWR2 Wort zum Tag

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08FEB2020
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Dass es bei Konflikten auch mal heftiger zur Sache gehen kann, ist verständlich. Ich finde das auch gut, solange mit Argumenten gekämpft wird. Ich habe in letzter Zeit aber oft erlebt, dass Leute verallgemeinern und beleidigen, wenn sie merken, dass ihre Argumente nicht ziehen. Da sind dann schnell mal alle Muslime potentielle Terroristen. Aber alle Christen sind selbstverständlich auf dem richtigen Weg, sie sind höchstens so gutgläubig, dass sie sich zu schnell von den anderen bösen über den Tisch ziehen und ausnutzen lassen. Aber so schwarz-weiß ist die Welt eben nicht. Mir macht das besonders Sorge, wenn ich höre, dass Leute Politiker beleidigen, ihnen sogar mit Mord drohen. Es ist nicht nur strafbar. In meinen Augen überschreitet es massiv die Grenzen des Anstands und unserer Kultur.

Ich orientiere mich da lieber an einem Ausspruch des katholischen Tübinger Theologen Johann Sebastian Drey. Drey hat schon vor fast zwei hundert Jahren gesagt: „Irrtum in Liebe ist besser als Wahrheit in Hass.“ In seiner Zeit ging es noch darum, ob Protestanten oder Katholiken die Wahrheit vertreten und auch damals wurde das nicht nur mit Argumenten ausgetragen, sondern mit Hassparolen. So wie viele heute auf Politiker losgehen, wenn sie sich in der Klimapolitik oder in der Flüchtlingspolitik einsetzen. Klar darf man eine andere Meinung haben, aber Hassparolen fördern ja keine konstruktive Lösung. Wenn jemand nicht nur Stimmungsmache anheizen will, sondern eine echte Lösung sucht, gibt es einfach keinen anderen Weg, als Meinungen auszutauschen, Lösungsvorschläge zu diskutieren und Kompromisse zu suchen.

Besonders drastisch finde ich , wenn Leute meinen, sie können den christlichen Glauben mit Hassparolen verteidigen. Das widerspricht ja nicht nur dem Weg, wie ich zu einer guten Lösung komme. Es steht auch im Gegensatz zu dem, was das Christentum verkündet. Ich kann es nicht nachvollziehen, wie ich eine Überzeugung mit Hass vertreten kann, die im Wesentlichen aus Liebe besteht. Nämlich in dem Vertrauen, dass Gott für jeden Menschen das Gute will, und dass jeder Mensch ein Ebenbild Gottes ist, egal zu welcher Religion er gehört und welche Fehler er begangen hat.

Mir ist auch nicht egal, was die anderen denken und ich will mit ihnen um die Wahrheit ringen, in so vielen Fragen: Wie wir in Deutschland mit dem Islam umgehen, wieviele Flüchtlinge ein Land aufnehmen kann und ob es gut ist, die Geflüchteten auf See zu retten. Dabei stehe ich hinter jedem Politiker, der sich ernsthaft für eine Lösung einsetzt, die human und christlich ist. Wenn wir um diese Lösungen ringen, zählen für mich Argumente. Und wenn wir in der Gesellschaft noch nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen und ich von meiner Wahrheit überzeugt bin, will ich weiter mit Argumenten streiten und unterdessen das, was ich bei den anderen für einen Irrtum halte, in Liebe ertragen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30268
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