SWR3 Gedanken

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05FEB2020
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Der Kinositz katapultiert mich in eine für mich außergewöhnliche Welt: Im Film „Alles außer gewöhnlich“ hält der Titel, was er verspricht: Die Menschen, die hier die Hauptrollen spielen, sind Autisten wie Valentin, die durch eine sensible Kameraführung in ihrer eigenen Welt porträtiert werden. Betreut werden sie von Pflegeschülern wie Dylon aus den Banlieus von Paris. Die leben nicht nur in den Randzonen der französischen Hauptstadt, sondern auch am Rand der Gesellschaft. Deswegen passt auf die Jugendlichen wie auf die Pfleger das Filmzitat einer Mutter eines autistischen Jungen, das mir bis heute nachgeht. Sie sagt:

„Für mich gibt es die, die einen nicht mehr ansehen. Die einem nicht mehr zuhören. Und dann die anderen. Und glauben sie mir: das sind nicht viele.“

Das Zitat schreckt mich auf: Wo stehe ich? Schau ich hin? Höre ich zu? Ich befürchte oft „Nein“. Der Film macht mich sensibel. Und mich motiviert auch mein christlicher Glaube: Denn die Bibel ist voll von Erzählungen, in denen Jesus genau das tut: auf Blinde, Lahme oder Aussätzige zugehen. Die von allen verachtete Ehebrecherin bekommt bei Jesus eine zweite Chance. Der unbeliebte Zöllner wird von Jesus besucht. Jesus sieht sie an – und gibt ihnen so Ansehen. Sie alle sind in den Augen Gottes unendlich wertvoll.

Und es gibt diese Menschen, die danach lechzen angesehen und gehört zu werden, ja auch heute: Die Familie, die mit ihrem Kind unterwegs ist, dass das Down-Syndrom hat oder der Rentner, der im Mülleimer verschämt nach Pfandflaschen sucht.

Es sind auch die Figuren aus dem Film, der auf einer wahren Begebenheit ruht: Als der anfangs so impulsive Pflegeschüler Dylon es schafft seinen autistischen Schützling Valentin durch stetes Zusprechen dazu zu ermutigen, ein Pferd zu streicheln, spüre ich den Atem der Stute, auch auf meiner Haut. Kino hat Kraft. Und diese Bilder müssen es schaffen – von der Leinwand hinein auch in mein Leben.

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