SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

04FEB2020
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Die Big Band hat in der Kölner Philharmonie ein Feuerwerk an guter Laune entfacht. Jazz vom Feinsten abgeliefert. Ein tolles Konzert, das mir meine Kumpels geschenkt haben. Jetzt noch ein lecker Kölsch und der Abend ist perfekt. Ob´s hier wohl in der Nähe eine Kneipe gibt? Denn weit können wir nicht, Tim, einer von uns, hat seine Gehhilfen dabei. Direkt gegenüber vom Konzerthaus finden wir ein Restaurant. Aber drinnen stellen wir fest: Ganz schön voll hier. Es gibt nur noch zwei Plätze in der Mitte eines langen Tisches. Rechts und links sitzt jeweils ein Paar. Wir sind zu viert, aber alle schmal geschnitten. Wir fragen spontan einfach mal nach. Zuerst bei dem älteren Ehepaar. Sie reagieren total gelassen: „Wir rücken zusammen, hier passen wir alle dran.“ Schon entsteht auf der Bank eine Lücke. Wir fragen aus Höflichkeit aber noch bei dem Paar auf der anderen Seite nach: „Wäre es für Sie auch ok, wenn wir uns noch dazusetzen?“

„Nein! Das ist unser Tisch. Wir waren zuerst hier. Oder wollen Sie etwa, dass wir uns nachher gegenseitig auf dem Schoß sitzen?“ Die Leichtigkeit der Jazzmusik weicht einer fassungslosen Stille. Meinen die das ernst? Das Paar wird noch einmal deutlich: „Hier ist kein Platz!“

 Mich hat das noch lange beschäftigt: Ein und derselbe Tisch und zwei ganz verschiedene Antworten auf die Frage, ob der Platz für alle reicht! Vielleicht auch, weil wir an diesem Abend am eigenen Leib gespürt haben, was unterschiedliche Antworten mit den eigenen Plänen machen. Pläne finden ihren Platz – oder sie zerplatzen. Oft geht es dabei um mehr als ein kühles Kölsch.

Denn die Frage nach dem Platz begleitet uns ein Leben lang: Angefangen beim heiß begehrten Platz in der Kita bis hin zu der Frage, welchen Platz unsere Gesellschaft für ältere und kranke Menschen hat. Jeder kennt aus seinem Leben Situationen, in denen er nur existieren konnte, weil jemand seinen Platz mit ihm geteilt hat. Und oft lernt derjenige, der für andere Platz macht, seinen eigenen Platz im Leben neu kennen – lebendiger und weniger langweilig.  So wie an einem langen, geselligen Tisch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30257
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