Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

04FEB2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Meine Oma sagte dazu nur „Die Böse Krankheit“. Das Wort Krebs hat sie nie in den Mund genommen, obwohl sie daran gestorben ist. Wie andere in meiner Familie auch. Aber da war eine tiefe Angst – wenn man das Wort ausspricht, dann ist das nicht gut.

Heute ist Weltkrebstag. Und ich bin froh, dass viele Menschen heute das Wort aussprechen, auch wenn ich Verständnis für die Angst meiner Oma hatte. Doch manchmal ist es gut, Dinge beim Namen zu nennen.

Am 4. Februar 2000 gab es in Paris ein Weltgipfeltreffen gegen Krebs. Und in den zwanzig Jahren seither ist viel geschehen, an Forschung, an Aufklärung, an Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Menschen reden heute über Krebs, auch wenn diese und andere Krankheiten noch lange nicht besiegt sind. Oft fällt es uns auch heute nicht leicht, über bestimmte Krankheiten zu sprechen. Etwa psychische Krankheiten - was soll man da sagen? Und auch körperliche – lieber einen Bogen darum machen, nicht drüber reden, so halten es viele. Aber nur wenn wir reden, können wir Leid und Freude miteinander teilen. Man muss nicht über alles reden - aber manches, was runtergeschluckt wird oder ausgehalten, ist selber wie ein Krebsgeschwür, wie eine Sorge, die heimlich wächst, weil niemand mir zuhört.

Wenn aber Schweigen gebrochen wird, kann etwas geschehen. Durch mitfühlende Fragen, nicht neugierige. Durch wenige Worte, nicht leere. Durch Solidarität. In der Not soll niemand allein sein. Das ist die ursprüngliche christliche Spital- und Hospizidee. „Einer trage des Anderen Last“ – wenn ich und andere diesen biblischen Grundsatz ernst nehmen, dann werden wir zwar nicht alle gesund machen können. Aber es passiert etwas allein dadurch, dass man Zuwendung erfährt. Da ist nicht alle Sorge weg – trotzdem: Einer trage des anderen Last! Das ist es, was wir tun können, wenn die Medizin nicht mehr weiter kann. Und das ist ganz schön viel – mit Gottes Hilfe, der sagt: Wir alle können helfen, das Böse mit Gutem zu überwinden. Daran hat trotz ihrer Sprachlosigkeit auch meine Oma nie gezweifelt, bis zuletzt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30242
weiterlesen...