Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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28JAN2020
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Vor einigen Tagen sitze ich im Café. Am Nachbartisch kratzt eine Mutter den Zuckerguss vom Möhrenkuchen ihrer Tochter ab. Ich muss unweigerlich grinsen, denn in dem Kuchen wird vermutlich auch Zucker drin sein. Die Mutter sieht mein Grinsen und sagt: „Zucker ist nicht gesund!“ Und sie ergänzt: „Nicht für die Zähne und vor allem ist Zucker nicht gesund für die Seele!“ Diese Aussage verblüfft mich so sehr, dass mir gar keine Antwort dazu einfällt. Natürlich weiß ich, dass zu viel Zucker für den Körper nicht gesund ist. Aber, dass Zucker für die Seele nicht gesund ist, ist mir neu. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen: Das Gegenteil ist der Fall! Zucker ist für mich manchmal ein wahrer Seelentröster: er hilft bei Liebeskummer, Prüfungsstress und Winterblues.

Irgendwie bleibe ich aber an dem Satz hängen: Was ist denn eigentlich gesund für meine Seele?

Die Frage ist ungewohnt. Schließlich funktioniert mein Alltag eher nach „ich soll“ und „ich muss“. Ich bin eingebunden in Beziehungen und Abläufe. Oft muss ich einfach funktionieren. Was mir als Person guttut, steht eher selten zur Diskussion.

Wenn ich aber darüber nachdenke, fallen mir als erstes zwei Bereiche ein, die mir immer guttun: Dazu gehört meine Familie, die mich liebt und mir Halt gibt, gerade wenn es um mich herum sehr turbulent ist. Und meiner Seele tut das Gefühl gut, dass ich als Seelsorgerin etwas Sinnvolles tue. So auch wenn ich bei Beerdigungen Menschen auf ihrem letzten Weg begleite, den Angehörigen zuhöre oder auch mit ihnen bete.

Und dann kommt mir noch ein dritter Gedanke: Meiner Seele tut es gut, ab und an etwas nur für mich zu machen. Wo ich nicht die Erwartungen Anderer erfüllen muss. Wo ich etwas tue, das mir einfach Freude bereitet. Bei mir sind das die Bienen. Klar ist meine kleine Imkerei auch mit viel Arbeit verbunden, aber es gibt Momente purer Freude. So zum Beispiel an diesem ungewöhnlich warmen Januartag: Mittags fliegen viele Bienen vor ihren Stöcken in der Sonne. Ich setze mich vorsichtig zu ihnen und beobachte sie. Prompt landet eine Biene auf meiner Hand. Einige Augenblicke sitzen wir zusammen da. Dann fliegt sie weiter.

Solche Momente braucht meine Seele auch, sie tun ihr gut. Denn meine Seele kann nicht nur funktionieren und hetzen, meine Seele muss auch gefüttert werden. Selten mit Zucker, aber oft mit Liebe, Sinn und Freude.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30236
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