SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

27JAN2020
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„Wir müssen fleißiger sein als andere Leute“. Mit diesen Worten verabschiedet sich der Vater von Anna und Max im Buch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“. Und weiter sagt er: Wir müssen fleißiger sein als andere, „um zu beweisen, dass wir nicht faul sind, großzügiger, um zu beweisen, dass wir nicht geizig sind, höflicher, um zu beweisen, dass wir nicht unhöflich sind.“ Max und Anna hören dem Vater gebannt zu und versprechen, sich in der Abwesenheit der Eltern ordentlich zu benehmen. Die kleine Anna merkt, dass es etwas Besonderes ist, jüdisch zu sein. Noch ist sie stolz darauf, noch hat sie nicht verstanden, welche Zeiten angebrochen sind, noch steht sie am Anfang einer langen Flucht durch verschiedene Länder.

Heute ist der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Zu diesen Opfern haben ganz unterschiedliche Menschen gehört: Juden, Christen, Homosexuelle, Menschen mit Behinderungen, Andersdenkende und viele mehr.

Ich bin froh, dass ich nicht in einem Land lebe, in dem man mich verfolgt, nur weil ich Christin bin oder weil ich anders denke als die Mehrheit oder weil ich nicht so aussehe, wie andere es festlegen. Die Verfasser des Grundgesetzes haben aus der Geschichte gelernt haben und uns mitgeben, dass alle Menschen gleich sind.

Deshalb möchte ich auch so leben. Mein Gegenüber ist ein Mensch wie ich, mit gleichen Rechten und Pflichten. Nach meinem christlichen Verständnis gilt das für alle Menschen, denn im Schöpfungsbericht heißt es: „Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild. Als Gottes Ebenbild schuf er sie.“ (1. Mose 1,27 Basisbibel).

Alle Menschen hat Gott nach seinem Ebenbild erschaffen. Für ihn zählen weder Herkunft noch Vermögen, Religion noch Parteizugehörigkeit, Geschlecht noch Hautfarbe.

Wenn ich doch so geschaffen bin, so wunderbar als Gottes Gegenüber, dann kann ich auch in meinem Mitmenschen ein wunderbares Geschöpf erblicken. Wir müssen nicht gleich sein in dem was wir denken, glauben, tun oder fühlen, aber gleich in der Wertschätzung und im gegenseitigen Respekt. Und wenn das so ist, dann muss niemand höflicher, großzügiger oder fleißiger sein als andere, damit er leben darf. Weder die kleine Anna noch ich, noch Sie oder andere.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30224
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