SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

24JAN2020
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Ich hatte beruflich in Graz zu tun. Dort gibt es eine Kirche[1], die einem sofort ins Auge sticht. Auf der Fassade stehen lauter Worte. Über die ganze Kirche verstreut. Von oben bis unten. In unterschiedlichen Farben und Lettern. Groß, so dass man’s von weitem sehen kann. Kreuz und quer geschrieben. Und auch was die Themen angeht kreuz und quer. Das ist natürlich ein Hingucker. Die wenigsten Begriffe kann man dem Religiösen zuordnen, wie „Adam und Eva“ oder „Schafherde“. Was sonst da steht, stammt aus dem normalen Wortschatz: „Angsthase, Fair play, Musterknabe, Arabische Nächte, Science fiction, Ach du grüne Neune, Afrolook, Nur Mut!“

Was hat das auf einer Kirche verloren? Gut, es macht aufmerksam, reißt aus dem gewohnten Trott heraus, wenn man in der Stadt unterwegs ist. Das macht der reine Kirchenbau oder ein Turm schon lange nicht mehr. Auch die Glocken nicht. An das alles haben wir uns längst gewöhnt. Bei den Worten habe ich angefangen zu denken: Warum haben die das gemacht? Wer hat das genehmigt? Wie ist die Auswahl zustande gekommen? Und dann habe ich mich noch etwas gefragt: Was haben die Begriffe mit der Kirche zu tun? Mit meinem Glauben? Mit Gott?

Fair play. Ja, das ist eine Einstellung, die ein Christ auch haben sollte. Das passt. Und mit dem Zuruf „Nur Mut!“ verbinde ich gleich das, was der Engel den Frauen am leeren Grab Jesu sagt: Fürchtet euch nicht. Das Christentum will Mut machen, wenn es einem Menschen schlecht geht, helfen, dass er wieder Boden unter die Füße kriegt. Viele andere Begriffe bieten sich nicht so an, um leicht einen Zusammenhang herzustellen. „Afrolook“ zum Beispiel. Da muss ich schon um die Ecke denken. Wer so einen Wuschelkopf hat, wird von manchen schräg angesehen. Jesus wollte aber nicht, dass man andere nach ihrem Äußeren bewertet.

Nach einer Weile hab ich mir gedacht: Was machst du da eigentlich? Die Begriffe müssen doch nicht alle zu dem passen, was du dir vorstellen kannst. Der Clou der Kunst-Aktion könnte ein ganz anderer sein. Vielleicht hat man sich dabei gar nicht so viele Gedanken gemacht, sondern das aufgeschrieben, was einem gerade in den Sinn kam. Und zwar deshalb, weil zu einer Kirche doch alles passt, was es so gibt. Weil es keine Tabus oder Berührungsängste geben sollte zwischen dem, was es gibt und dem, was in der Kirche vorkommt. Das ganze Leben, die gesamte Welt gehört auch zur Kirche, weil sie zu Gott gehört. Das gefällt mir. Das finde ich richtig. Da gehört die Kirche hin: Mitten ins Leben, mitten in die Welt. Inclusive Science fiction, Musterknaben und Arabischen Nächten...

 

[1] St. Andrä im 5. Gemeindebezirk Graz-Gries.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30177
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