SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

23JAN2020
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Die besten Gespräche finden nachts statt. Wenn die Last des Tages vorüber ist. Wenn man nicht mehr so genau achtgibt und jedes Wort auf die Goldwaage legt. Wenn man die Zügel loslässt und die Gedanken einfach so dahinfließen können. Es heißt, unter Politikern würden dann die wichtigen Entscheidungen vorbereitet. Nicht auf einem Parteitag oder im Parlament. Die Weichen werden vorher gestellt, wenn keine Kameras dabei und Mikrofone auf einen gerichtet sind. Hinterher muss alles seinen geordneten Gang gehen. Das ist wichtig. Aber vorher braucht man auch Gelegenheiten, um hin und her zu überlegen und mal einen gewagten Plan zu fassen. Sonst kommt man nicht über Tages-Geschäft hinaus.

Auch in der Bibel geschehen entscheidende Dinge bei Nacht. Aus dem gleichen Grund. Tagsüber im normalen Betrieb würden sie untergehen, übersehen werden. *Der junge Samuel, fast noch ein Kind, wird dreimal aus dem Schlaf gerissen. Dann versteht er - mit Hilfe seines Lehrers Eli - dass Gott ihn zum Propheten berufen hat. *Weihnachten liegt ja noch nicht so lange zurück. Was wichtig ist, damit die Menschheit erfährt, dass Gott den Retter geschickt hat, passiert alles in der Nacht. Die Hirten hüten ihre Herde. Sie schlafen halb im Stehen, sie wechseln ein paar Worte miteinander, sie hören in die Stille. Und exakt in dieser Situation verstehen sie: Gott braucht uns. Wir müssen der Welt von Jesus erzählen. *Und einmal wird sogar von einem Nachtgespräch und dessen Inhalt ausführlich berichtet. Jesus führt es mit Nikodemus. Einem Juden, der ihm freundlich gesonnen ist. Und es geht dabei wirklich ums Eingemachte. Um die Frage, wie man verstehen kann, wann und wo Gott etwas tut in der Welt. Um die Suche nach der Wahrheit. Letztlich: Um das ewige Leben. Man könnte nicht behaupten, dass sie einander auf Anhieb verstehen. Aber es bleibt freundlich und friedlich. Und am Ende war’s ein gutes Gespräch. Vielleicht haben sie sogar etwas gelernt dabei.

Solche Gespräche sollte es mehr geben. Begegnungen bei Nacht. Ohne ein konkretes Ziel, das unbedingt erreicht werden muss. Menschen, die sich nur zusammensetzen, weil sie neugierig sind und mit ihren Gedanken und Fragen nicht allein bleiben wollen. Es gibt viele große Fragen, denen wir nicht ausweichen können: Wie lässt sich besser erreichen, dass Menschen einander nicht als Feinde verstehen? Wo bin ich wirklich bereit, meinen Lebensstil zu ändern, damit ich nicht zu viel verbrauche? Wie muss ich leben, dass ich nicht nur um mich kreise, sondern für andere nützlich bin? Am Tag muss alles schnell gehen. Ständig drängen sich Aufgaben nach vorn, die schnell mal erledigt sein müssen. Im Dunklen wird man milde und entspannt. Ich meine: Höchste Zeit für viele Nachtgespräche.

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