SWR3 Gedanken

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Ich sitze an meinem Rechner und grübele. Vor einigen Stunden hat sich ein Problem aufgetan, das ich einfach nicht lösen kann. Jeder Versuch, den ich unternehme, scheitert und ich bin schon reichlich deprimiert. In diesem Moment steht Kollege XY in der Tür: „Du hast ein Problem. Du bist deprimiert. Kann ich Dir helfen?“ Ja, kann der Gedanken lesen?

Kann er nicht. Aber wenn es nach dem Willen des Software-Giganten Microsoft geht, kann mein Computer Gedanken lesen. Und noch mehr als das: Über drahtlose Sensoren kann er meine Stimmungen und Gefühle lesen. Er kann sozusagen minütlich ein Profil meiner gesamten Person erstellen. Und wenn ich ein Problem habe, wenn ich deprimiert bin, meldet mein Computer das entsprechend weiter. Damit mir geholfen wird.

Ja, ist denn unserer Welt noch zu helfen? Vor wenigen Jahrzehnten noch bereitete uns eine erfundene Big-Brother-Welt à la George Orwell gruseliges Vergnügen. Mittlerweile hat die Realität die Fiktion längst eingeholt. Das Microsoft-System ist in den Vereinigten Staaten zum Patent angemeldet. Und sicher werden sich Firmen finden, denen Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre schnurzegal sind, wenn es um den Profit geht.

Denn letztendlich geht es um den Profit. Auch wenn der Patentantrag in konstruktiven Formulierungen schwelgt. Da ist von mehr Effizienz die Rede, von Verbesserung der sozialen Beziehungen und der Bildung von Interessensgruppen. Klingt gut. Aber de facto heißt das, dass mein Arbeitgeber zukünftig wissen kann, welches Fernsehprogramm ich bevorzuge oder ob ich beim Frühstück Streit mit meinem Mann hatte.

Dinge, die zunächst einmal nur mich selbst etwas angehen. Weil ich eine Person bin. Und eben keine Maschine, deren einzige Existenzberechtigung ihre Funktionalität ist. Gott hat uns als Menschen geschaffen und mit Freiheit ausgestattet. Was ist dann von einer Technologie zu halten, bei der diese Freiheit nahezu sang- und klanglos zum Teufel geht?

Wenn ich meinen Computer einschalte, erwarte ich, dass er mein dienstbarer Geist ist. Denn er ist eine Maschine. Wenn sich hier die Rollen verkehren, dann läuft in unserer Welt etwas verkehrt. Und daran kann ich nur etwas ändern, wenn ich für manche Entwicklungen wach und aufmerksam bleibe. Bevor mein Computer mir das abnimmt.

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