SWR2 Wort zum Tag

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21JAN2020
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Mit manchen Menschen werde ich einfach nicht warm. Ich kann gar nicht genau sagen, warum. Es ist einfach so. Wir finden kein Thema, über das wir sprechen können. Ich verstehe nicht so recht, wie die anderen ticken. Sie bleiben mir fremd.

Das erlebe ich im Alltag – aber auch in meinem Glauben. Heute wird in der Katholischen Kirche das Fest der Heiligen Agnes gefeiert. Und auch Agnes ist so ein Mensch, der mir fremd bleibt.

Ihre Geschichte wird nur bruchstückhaft überliefert. Agnes lebt wohl im 3. Jahrhundert in Rom. Sie ist eine schöne, junge Frau, kommt aus einem vornehmen Haus. Die Überlieferungen schwärmen von ihrem märchenhaften, langen, blonden Haar. Kein Wunder, dass die Verehrer Schlange stehen. Aber Agnes denkt gar nicht ans Heiraten. Sie hat geschworen, ihr Leben Jesus zu widmen. Die abgewiesenen Verehrer bedrängen sie, zetteln einen Prozess an. Schließlich wird sie hingerichtet.

Eine merkwürdige Geschichte. Eine Geschichte voller Fremdheit. Fremd bleibt mir der unbändige Wunsch von Agnes, ihr Leben alternativlos für den Glauben zu opfern. Fremd bleiben mir aber auch all die Menschen um sie herum. All die Menschen, die einfach nicht hinnehmen wollen, dass diese Agnes anders ist. Agnes wehrt sich nämlich gegen das übliche Frauenmodell, gegen Heirat und Kinder. Sie will etwas anders.

Doch mit Agnes‘ Andersheit, mit ihrer Fremdheit tun sich die Menschen ganz offensichtlich schwer. Sie wollen diese Frau gefügig machen: körperlich und geistig. Und als das nicht gelingt, wollen sie sie loswerden. Fremde haben keinen Platz in dieser Welt.

Die Agnes-Geschichte lässt sich so als moderne Erzählung lesen. Sie erzählt, wie schwierig es ist, Fremdheit zu ertragen. Wie schwierig es ist, mit Menschen umzugehen, die anders sind. Agnes ist das Opfer einer Gesellschaft, die einfach nicht akzeptieren kann, dass es Menschen gibt, die anders sind. Ich lese das als Warnung. Welche Folgen es haben kann, wenn eine Gesellschaft mit Fremdheit nicht umgehen kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30163
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