SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

10JAN2020
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Früher habe ich gedacht, in der Bibel geht es immer nur um fromme Menschen, Engel und Heilige. Aber weit gefehlt. Da geht es oft um Chaoten, Querköpfe und Pechvögel. Besonders gefällt mir die Geschichte von einem Schlitzohr, das selbst richtig einstecken muss. Der Mann heißt Jakob und seine Geschichte beginnt damit, dass er sich das Erbe seines Bruders erschleicht. Nachdem er seinen Bruder Esau und seinen Vater hereingelegt hat, haut er schnell ins Nachbarland ab. 

Hier muss Jakob selbst erleben, was es bedeutet, wenn andere ihn betrügen. Denn sein Schwiegervater zieht ihn ordentlich über den Tisch. Der lässt Jakob hart schuften und jubelt ihm zum Dank bei der Hochzeit die falsche Braut unter. 

Erst nach vielen Jahren macht Jakob sich mit Sack und Pack auf den Weg zurück in die Heimat. 

Er will seinen Bruder Esau wiedersehen. Ob der ihm vergeben kann? In der Nacht vor ihrem Treffen geschieht etwas Sonderbares. Jakob steht am Fluss, der die Grenze zu seiner Heimat markiert. Er ist allein. Da kommt ein unbekannter Mann auf ihn zu und es beginnt eine wilde Schlägerei. Die beiden ringen stundenlang miteinander. Jakob will endlich wissen, mit wem er es zu tun hat. Doch der Mann schweigt. Stattdessen gibt der Fremde Jakob einen neuen Namen. Er sagt: Ab jetzt heißt du „Der mit Gott gekämpft hat“. Auf Hebräisch: Israel. So erfährt Jakob, dass Gott selbst sein Gegner war. Mit ihm hat er sich die ganze Nacht geprügelt. 

Jakob heißt ab jetzt Israel. Nach ihm wird ein ganzes Volk benannt. Nach einem jungen Mann, der Bruder und Vater betrügt, mit seinem Schwiegervater streitet und später eine ganze Nacht lang mit Gott kämpft. Für mich steht dieser Jakob für Ausdauer, Kampfgeist und Mut. Er bekommt nichts geschenkt, sondern muss sich alles erarbeiten und erkämpfen. 

Jakob bleibt nach dem Kampf mit Gott verletzt zurück. Doch hat ihn das stärker gemacht. Er ist sich sicher: Wenn ich das überlebt habe, brauche ich vor nichts mehr Angst zu haben. Er traut sich jetzt seinem Bruder wieder unter die Augen zu treten.  Sieben Mal fällt er vor ihm nieder und bittet seinen Bruder Esau, ihm zu vergeben. Trotz vieler Verletzungen und Fehler kann er so zu einem Vorbild werden. Er hat mit vielen Menschen, mit sich selbst und sogar mit Gott gekämpft. Am Ende erreicht er sein großes Ziel: Er kann in Frieden leben. Mit seiner Familie, seiner Herkunft, mit Gott und sich selbst.

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