SWR2 Wort zum Tag

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11JAN2020
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Alltag in der Familie Zimmermann in Nazaret – gut, dass die Bibel darüber schweigt…

Gut, eigentlich, dass die Bibel sich darüber ausschweigt, wie Jesus gelebt hat, zwischen seinem zwölften Lebensjahr und seiner Taufe im Jordan. Da soll er dreißig gewesen sein – aber auch das ist mehr theologische und historische Spekulation, ohne wortwörtliche Belege im Evangelium. Gut, weil das Kind und seine Familie Ruhe gebraucht haben. Jesus ist bekannt als der Sohn des Zimmermanns Josef. Und hat vermutlich auch einen anständigen Beruf gelernt; und konnte mit Holz und mit Bauherren und Architekten umgehen.

Was noch erzählt ist, ist ja das Erlebnis im Tempel, Jesus ist da zwölf; und verwickelt die Priester und die Theologen in Jerusalem in kluge Gespräche über Gott und die Welt. Scheint, dass er schon auch einen besonderen Blick für seinen Glauben hatte und für die Bibel und überhaupt für die Frage nach Gott, die ja jeden Menschen irgendwie umtreibt.

Das Lukas-Evangelium erzählt diese Geschichte natürlich mit ein bisschen anderer Absicht. Da zeigt sich Jesus schon als jugendlicher Gottes-Sohn; ein Mensch unter Menschen, aber doch mit einem göttlichen Wissen. Das kann durchaus sein – vieles bleibt ja schwer verständlich und rätselhaft, was von diesem Kind erzählt wird. Unverständlich auch für seine Eltern Maria und Josef, die Familie Zimmermann in Nazaret.

Ich finde es spannend, mir vorzustellen, wie dieser Knabe selbst auch zu glauben gelernt hat. Das gehört für mich dazu, wenn ich mir Jesus Christus vorstelle als Gottessohn und Menschenkind zugleich. Maria und Josef werden ihm erzählt haben, wie Gott die Welt erschaffen hat und von seiner Arbeit ausgeruht hat, am siebten Tag. Wie Gott Abraham zum Vater seines Volkes macht und wie er dieses Volk aus der Sklaverei herausholt. Ihren ganzen Glauben werden sie mit dem Sohn geteilt haben – und er wird liebevoll und wissbegierig an ihren Lippen gehangen haben; er ist mit ihnen zu Gebet und Gottesdienst in die Synagoge gegangen und vermutlich häufig zur Wallfahrt nach Jerusalem.

So finde ich mich näher bei Jesus als in den seltsamen Geschichten, die es glücklicherweise nicht in die Bibel geschafft haben; schon ganz früh wurde sowas erzählt: da macht er Spatzen aus Ton und klatscht in die Hände und – husch – fliegen sie weg; ein kleiner Gott eben. Da doch lieber keine Geschichten über die zwanzig Lehrjahre, die sogar Jesus vielleicht gebraucht hat, um der Prophet und Gottessohn zu werden, der er schon immer war. Morgen feiern die christlichen Kirchen das Fest seiner Taufe – den Tag, an dem es zum ersten Mal öffentlich wird. Da geht der Himmel auf und Gottes Stimme sagt: Dies ist mein geliebter Sohn. Ich wüsste zu gern, ob der das da schon begriffen hat!

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