SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

08JAN2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Genauer hinschauen und das kleine Glück sehen – das hilft auch gegen Langeweile im Alltag, die jetzt wieder um sich zu greifen droht.

Der Alltag hat uns wieder; auch wenn das Datum sich erst mal noch ein bisschen ungewohnt schreibt: 8.1.2020 – aber das hat sich auch bald. Und die nächsten größeren Events liegen noch weit weg – so was wie Weihnachten und Jahreswechsel mit vollen Straßen und Parkplätzen und Läden und mit dem ganzen Stress: endlich vorbei.

Endlich? Ich kenne Menschen, die fürchten weniger die Feiertage; sie schrecken zurück vor der Langeweile, die jetzt ausbrechen könnte. Jeden Wochentag der gleiche Ablauf mit Wecker und Bad und Frühstück und dem Weg zur Schule oder zur Arbeit; die immer gleichen Kolleginnen und Kollegen oder Klassenkameraden und Lehrerinnen, immer ähnliche Aufgaben, ähnliche kleine Erfolge und Misserfolge. Und so geht es weiter durch jeden Tag bis zu Abendessen und Glotze und Gute Nacht bis morgen Früh… Doch, das kann sich schrecklich anfühlen. Ein bisschen unterbrochen vom Wochenende und vom Sonntag, mit Bundesliga oder Konzert oder Theater oder Kneipenbummel. Aber insgesamt: business as usual – und irgendwie langweilig. Da freuen sich viele doch schon wieder auf die große Unterbrechung – trotz dem Stress, der dann auch wieder kommen wird.

Ich glaube, es könnte eine andere Art von Unterbrechung geben, von Durchbruch durch die Langeweile des Alltags. Weil es nämlich bestimmt in jedem Tag auch etwas Besonderes gibt – am liebsten etwas Schönes, etwas, das mir Freude machen kann und tatsächlich Freude macht; jedenfalls, wenn ich hingucke. Dass es heute morgen wieder hell wird. Das ganz besondere Blau des Himmels oder in den Augen eines lieben Menschen. Leo, der Hund meiner Freunde, der sich auf den Rücken legt, damit ich ihn am Bauch kraulen soll. Die Nachbarin, die ein fröhliches Guten Morgen herüberruft… Jede und jeder wird selbst solche schönen Momente finden, auch heute.

Dazu hilft es mir, genauer hinzuschauen; und das lässt sich üben. Heute Mittag zwischendurch oder abends zwischen Zähneputzen und Einschlafen noch mal zurückgehen durch den Tag und zurückfühlen: Wo gab es den kleinen Lichtblick, das kleine gute Gefühl, das ruhig länger hätte bleiben können – ein wenig Glück, das jemand mir geschenkt hat oder das ich jemand anderem geben konnte… Vielleicht kann ich mich ja jetzt noch mal daran erfreuen?

Ganz allmählich wird es gelingen, auch schon vorauszublicken, abends vor dem Einschlafen oder morgens noch vor dem Aufstehen: Anzuschauen, was am neuen Tag schön sein wird, worauf ich mich jetzt schon freuen kann. Dann wird auch das viele Schwere leichter zu ertragen sein, das ja ganz sicher kommt – und die Langeweile und der Alltagstrott auch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30090
weiterlesen...