SWR2 Wort zum Tag

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03JAN2020
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Hingebungsvoll – ich mag dieses Wort. Vielleicht konnten auch Sie an den Feiertagen an Weihnachten oder um den Jahreswechsel wieder spüren, was es bedeutet. Wenn zum Beispiel endlich mal wieder Zeit ist, sich völlig in ein Buch oder in ein Musikstück zu vertiefen – hingebungsvoll. Ich selbst erlebe es, wenn die Spielsachen ausgepackt oder mal wieder aus dem Regal geholt werden:

Ältere Herren gehen in die Knie, um sich voller Hingabe der Carrera-Bahn zu widmen. Großmütter jagen mit Feuereifer mit Scotland Yard nach Mister X. Coole Teenager haben plötzlich kein Problem, sich mit Pantomime zum Clown zu machen. Und gestandene Männer nehmen sich frei, um Modelleisenbahnen fahren zu lassen.

In der Zeit zwischen den Jahren gelingt es manchmal auch uns Erwachsenen, die Welt um uns herum auszublenden und uns ganz und gar zweckfrei einer Sache zu widmen. Hingebungsvoll zu spielen – wie es sonst nur Kinder tun. Und ich glaube: Damit sind wir gar nicht so weit weg von der Botschaft des Weihnachtsfestes. Denn im Zentrum der biblischen Geschichten von Weihnachten steht ja: ein Kind.

Einfache Hirten vom nahegelegenen Feld und gebildete Herren aus fernen Ländern treffen dort im Stall von Bethlehem zusammen. Und knien, so wird erzählt, vor einem neugeborenen Kind nieder – auch sie voller Hingabe. „Wie zur Beschämung der gewaltigsten menschlichen Anstrengungen und Leistungen wird hier ein Kind in den Mittelpunkt der Weltgeschichte gestellt“, schreibt der Theologie Dietrich Bonhoeffer.

Auch Jesus selbst hat später immer wieder die Kinder in den Mittelpunkt gestellt: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein wie ein Kind, wird nicht hineinkommen, hat er gesagt.

Deshalb freue ich mich jedes Mal, wenn es mir und anderen Erwachsenen wenigstens um Weihnachten herum gelingt, wieder ein wenig Kind zu werden. Wenn plötzlich der Stress und das Effizienzdenken weg sind, die sonst das Sagen haben. Wenn die Härte oder Müdigkeit weicht, die über die Wechselfälle eines langen Lebens Raum gewonnen hat – und sich dann auch die Großen vorbehaltlos und hingebungsvoll der neuen Rennbahn oder dem alten Brettspiel widmen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass es eine Chance des Älterwerdens ist, dass das wieder leichter gelingt. Nicht umsonst verstehen sich Großeltern und Enkel oft so gut.

Vielleicht kommen wir auf dieser Reise zurück in die eigene Kindheit ja auch dem Kind in der Krippe ein wenig näher. Denn, so hat Jesus selbst gesagt: Den Kindern steht Gottes Welt offen. Denn Gottes Nähe kann man sich nur schenken lassen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30086
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