Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

04JAN2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Wer von euch der Erste sein will, der soll der Diener aller sein.“ (Mk 9,35) Der kleine Satz aus der Bibel ist ein echter Hammer, finde ich. Er fällt mir mitunter ein, wenn ich den Großen der Weltpolitik dabei zuhöre, wie sie sich öffentlich aufplustern. Ob gerade wieder in Amerika oder England, in Russland oder der Türkei. Es wird geprotzt und geprahlt. Es wird übertrieben, schamlos gelogen und bei Bedarf auch mal gedroht. Und es sind die immer gleichen pubertären Phantasien, die da zum Vorschein kommen. Die des toughen Helden, der alles kann und besser weiß und jedes Problem im Griff hat. Eigentlich zum Totlachen, wenn es nicht so traurig wäre. Und vor allem das krasse Gegenteil des kleinen Satzes aus der Bibel: Wer der Erste sein will, der soll der Diener aller sein.

Nun hat Jesus diesen Satz nicht als Mahnung an Präsidenten und Möchtegern-Potentaten gesagt. Er hat ihn seinen Freunden an den Kopf geworfen, die sich darum balgten, wer von ihnen denn der Größte sei. Pubertäres Gerangel also schon damals. Doch Jesus hatte nun mal das Himmelreich auf Erden im Sinn und da gelten andere Maßstäbe. Ja, sie sind geradezu seitenverkehrt. Sich klein machen und zum Diener der anderen zu werden, um wirklich groß zu sein? Klingt in dieser Welt ziemlich paradox. Und doch steckt tiefe Weisheit fürs Leben darin.

Darum fände ich es toll, wenn jeder, der Macht über andere hat, sich diesen Satz zu Herzen nehmen würde, ganz gleich, ob in der Familie oder im Beruf: „Wer der Erste sein will, der soll der Diener aller sein.“ Ob er Unternehmensvorstand oder Papst ist. Ob Vereinsvorsitzender oder Schulleiter. Als Oberster, als Chef bin ich ja nicht für mich und mein Ego verantwortlich, sondern für ganz viele Menschen, für die ich Verantwortung trage. Für die Bürger meines Landes und da ganz besonders für die Schwächsten. Für meine Mitarbeiter, überhaupt für alle, die von meinen Entscheidungen betroffen sind. Das ist eine gigantische Verantwortung. Zum Diener aller werden heißt für mich darum: Sich immer wieder in die Menschen zu versetzen, die mir anvertraut sind. Immer wieder die Welt aus ihrer Perspektive anzusehen – und erst dann zu entscheiden. Wer sich so zum Diener der anderen macht, der darf dann ganz zu Recht der Größte sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30065
weiterlesen...