SWR3 Gedanken

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02JAN2020
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Die Welt ist ungerecht und manchmal echt gemein. Das habe ich schön ziemlich früh im Leben erkannt. Genau genommen schon in der Schule. Sport habe ich ja über alles geliebt. Doch leider war der Sportunterricht nur ein verschwindend kleiner Teil des schulischen Programms, denn da waren ja noch die anderen Fächer: Deutsch zum Beispiel war mir immer ein Graus.

Besonders das Auswendiglernen. Zumal unser Deutschlehrer ellenlange Gedichte geliebt hat. „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? …“ Goethes Erlkönig. Was habe ich mir Mühe gegeben, dieses Gedicht und all die anderen Gedichte in den Kopf zu bekommen. Und immer, wenn ich gedacht habe, jetzt aber, jetzt kann ich´s, immer wenn ich mich sogar freiwillig gemeldet habe – dann war es oft aus. Ich stehe da und nichts geht mehr. Gar nichts mehr. Alles weg.

Ganz anders die Mädchen, die ich auf dem Schulweg gesehen habe. Im Schulbus da sitzen die Mädchen, die zu Hause nicht gelernt haben. Sie lesen sich das Gedicht ein paar Mal durch. Kommen im Unterricht dran. Ich denke noch: Oh, das kann nur schiefgehen! Doch nein! Ohne Hänger rezitieren die Mädels einwandfrei Goethes Ballade: „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? ...“

Seither weiß ich: Was immer die Glücklichen da geritten hat, die Welt ist ungerecht. Stärken und Schwächen sind nicht immer gerecht verteilt. In der Bibel steht ein schöner Satz dazu: „Meine Kraft, sagt da Jesus Christus, kommt gerade in der Schwäche voll zur Geltung.“ (2. Korinther 12,9b) Jesus hilft nicht beim Auswendiglernen, aber Jesus hilft, es mit einem Lächeln hinzunehmen.

Inspiriert von Mosaik meines Lebens von Bernd Hüffmann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30054
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