SWR2 Wort zum Tag

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01JAN2020
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„Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“
Wer könnte diesen Hilferuf nicht verstehen. Er steht in der Bibel. Ein Vater hin und hergerissen, zwischen Hoffen und Bangen, hat ihn gesagt. Sein Kind ist schwer krank. Er wendet sich in seiner Sorge an Jesus.

„Ich vertrau Dir, ich will glauben, dass Du meinem Kind helfen kannst, dass es wieder gesund wird. Aber wie könnte ich sicher sein, dass es gelingt.“
Er wusste, man kann nicht sicher sein, dass eintritt, worauf man hofft.

Wer könnte diesen Hilferuf nicht verstehen. Wenn das Leben in eine Krise gerät. Ist es da nicht naheliegend, dass man zwischen Glauben und Zweifeln hin und her gerissen ist.
„Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“

Diesen Hilferuf in der Krise haben die Kirchen über dieses neue Jahr gestellt, als biblische Losung. So ein Motto wählen die Kirchen jedes Jahr aus, an dem man sich orientieren und vielleicht auch aufrichten kann. Mir ist selten eine Losung so nah gekommen wie diese.

„Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ Ich vermute, es wird auch in diesem Jahr Situationen geben, wo Angst und Zweifel nach mir greifen. Sie können Zuversicht zermürben und Vertrauen untergraben. Die man doch so dringend braucht, gerade wenn das Leben nicht einfach ist.

Es wird solche Situationen geben bei mir persönlich. Und wenn ich daran denke, wie die Welt um uns herum so ist. Manches daran kommt mir vor wie eine Dauerkrise. Zweifel und Sorge erscheinen fast schon als „Normalzustand“.

Das politische System des Westens durchlebt – so empfinde ich das- eine Krise. Vor allem in den USA und in Großbritannien ist das Vertrauen in die Wahrhaftigkeit der politischen Führungskräfte zermürbt worden. Mit Lügen und gezielt gesteuerten Kampagnen werden Wahlen gewonnen. Was können wir da noch glauben?
Müssen wir uns Zweifel als neue Basistugend aneignen.

Ich glaube, wenn es dahin käme, das wäre der Tod eines gesunden politischen Zusammenlebens. Wir Menschen können nicht auf der Basis von Dauermisstrauen leben. Das macht krank.

Kritisch nachfragen, prüfen, was versprochen wird, das ja. Aber die Basis eines gedeihlichen Lebens muss sein, dass man einer gewissen Ehrlichkeit in der Politik vertrauen kann. Insofern: ist dieser Ruf, „ich glaube, hilf meinem Zweifel“ auch eine Fürbitte für die Politik. Die an die Macht Gewählten mögen sich erinnern, für wen sie da sind. Für Frieden und Gerechtigkeit von uns allen.

„Ich glaube, hilf meinem Unglauben“.
Diese Bitte kommt mir vor allem aber nahe in einer anderen Krise.

Ich erlebe bei anderen und an mir selbst große Zweifel, ob wir Menschen der Krise unserer Erde wirklich gewachsen sind.
Ich höre oft solche Sätze: „Es hat doch keinen Sinn, wenn man als Einzelner sein Verhalten ändert. Und zB. was fürs Klima tun will. Solange die Politik nichts tut. Solange die Chinesen und die und die, ist das doch sinnlos. Anders mobil sein, weniger fliegen, anders essen. Was soll es.“

Ich glaube, solche Sätze sind eigentlich Ausdruck von Unglauben. Von fehlendem Vertrauen. Ich zweifle damit an, dass wir Menschen klug werden können. Überhaupt eine gute Zukunft wollen.

Aber im tiefsten Kern zweifle ich mit solchen Sätzen an Gott. Als hätte Gott kein Interesse mehr an seiner Menschheit, seinen anderen Geschöpfen und seiner Erde.

Als wäre ihm seine Schöpfung schnuppe.
Das kann ich nicht glauben. So ist Gott nicht. Nicht der Gott, von dem die Bibel erzählt. Dieser Gott liebt Menschen, er traut uns Gutes zu, er traut uns zu, dass wir frei sind und Gutes tun können, auch wenn noch nicht alle es tun.

„Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“
Das Motto für dieses Jahr ist für Sie und mich. Dass wir auf Vertrauen setzen in den großen und kleinen Krisen, die dieses Jahr auf uns zukommen werden.
Nicht misstrauisch abwarten. Es ist sinnvoll, dem eigenen Gewissen zu folgen, sich um Gutes zu bemühen. Fröhlich tun, was wir können für Menschen, für Gottes Geschöpfe und seine Erde. Ich glaube, er traut uns zu, dass wir in Krisen
mutig sein können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30038
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