SWR2 Wort zum Tag

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30DEZ2019
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Gut, dass man bei großen Autor*innen immer wieder Worte findet, die einem Lebenserfahrungen erhellen. Erfahrungen, die man selbst zwar ähnlich kennt. Aber nicht so in Worte zu fassen vermag: so prägnant, hellsichtig und Perspektiven eröffnend.

In der Vorbereitung auf Heiligabend ist mir so ein erhellendes Wort  begegnet. Es begleitet mich seither.
„Siehe ich komme und will bei Dir wohnen, spricht Gott“,
hat der jüdische Visionär Sacharja gesagt.

Indem er in Aussicht stellt, dass Gott bald in der Nähe wohnen wird, sagt er aber auch, dass Gott fern erlebt wird. Damals, als Sacharja geschrieben hat, jedenfalls. Ich erlebe das heute manchmal auch so.

Sacharja hat damit bildhafte Worte gefunden für die Erfahrung, die viele kennen. Vielleicht ist es der Normalfall des Lebens, auch für religiöse Menschen. Gott ist nicht immer spürbar. Ein paar Verse weiter hat Sacharja darum gesagt, im Rahmen seines Bildes konsequent:
Er, Gott, hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte! Und kommt, um einzuziehen. Wenn man ihn lässt. Muss man vielleicht hinzufügen.

Warum ich diese Bilder und Worte erhellend finde, die Sacharja gefunden hat, der Visionär aus dem Alten Testament? Ich glaube, sie können helfen, realistisch an Gott zu glauben.
„Realistisch“ glauben: also nicht abheben gewissermaßen in eine 2. Etage des Glaubens, die die Wirklichkeit des Lebens hinter sich lässt oder sie religiös übermalt.
Aber halt auch realistisch „glauben“: ich muss angesichts der Wirklichkeit, wie sie ist, den Glauben an Gott nicht preisgeben. Ich muss nicht an Gott verzweifeln, obwohl unsere Erde oft so ein rauer und gottloser Ort ist. Gott kommt in unsere Welt. Kommt Menschen nahe. Er ist vielleicht nicht überall. Er wird verdrängt. Aber er kommt immer wieder. Das bedeutet für mich realistisch zu glauben.

Das ist ja auch die Botschaft von Weihnachten:
Gott hat Wohnung genommen in Jesus. Jesus hat dem „Weit-weg -Gott“ ein Gesicht gegeben. Sacharja hatte Gott kommen sehen und gesagt:
„Siehe ich komme und will bei Dir wohnen, spricht Gott.“
Diese Zukunfts-aussicht ist in Jesus wirklich geworden.

Und sie wird wirklich in jedem Kind, das auf die Welt kommt. Man kann in jedem neuen Leben spüren, ahnen, glauben, dass der ferne Gott, immer wieder Wohnung auf unserer Erde nimmt. Und wenn ich mich von einem Kind anrühren lasse zu lieben, werde ich selbst auch zu einem Raum, in dem Gott wohnen kann.

Die Erde ist ganz bestimmt nicht heil oder heilig. Aber auch wenn man Gott oft nicht spüren kann. Er ist in der Nähe.

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