SWR3 Gedanken

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06JAN2020
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Meine Kollegin Mia hat vor ein paar Tagen zu mir gesagt: „Ich versuche jetzt öfters mal Grün anzufordern.“ Ich verstehe erst nicht, was sie damit meint. Dann erklärt sie: „Ich war heute Morgen mit dem Rad unterwegs und da war eine Ampel, an der stand auf einem Schild Bei Bedarf Grün anfordern. Und weil viel los war, habe ich das auch gemacht, Schalter gedrückt – zack – hatte ich grün und weiter ging‘s.“ „Ja und?“, frage ich „Ist doch ganz normal.“ „Ja, schon“, sagt sie „aber ich will das auch in anderen Bereichen probieren – im übertragenen Sinne. Weißt du, normalerweise nerven mich rote Ampeln tierisch. Hier warten, da warten, egal, ob jemand kommt oder nicht. Genauso ist es auch im Beruf oder im Privatleben. Über Dinge, die nicht vorwärtsgehen, mache ich mir viel mehr Gedanken, als über Sachen, die gut laufen. Und das kostet mich unheimlich Energie. Die Ampel heute Morgen hat mir klargemacht, dass ich einfach mehr darauf achten will, wo es überall schon läuft – und dass ich oft selbst etwas dafür tun kann, dass es vorwärtsgeht.“

Ich finde das Motto von Mia passt zwar nicht überall, weil manchmal gehen Sachen einfach nicht weiter, da kann ich so viel Grün anfordern wie ich will. Aber ich finde, sie hat trotzdem recht. „Bei Bedarf Grün anfordern“ heißt für mich: Nicht zu warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Probleme mit Freundinnen und Freunden einfach mal offen ansprechen und zeigen, was mir an unserer Freundschaft liegt. Wenn mir Fehler passieren, kann ich mehr darauf schauen, was ich daraus lerne, als mich lange darüber zu ärgern. Und wenn ich grade mal nicht so gut drauf bin, heißt „Grün anfordern“ für mich: Kopfhörer auf, Gute-Laune-Musik an und raus in die Natur. Also: Weniger über rot aufregen, sondern versuchen auf grün zu schalten.

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