SWR2 Wort zum Tag

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20DEZ2019
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„O weh, wie soll man da fröhliche Weihnachten feiern!“, denke ich bei mir und lege die Zeitung aus der Hand. Gerade habe ich zuerst einen Artikel über die katastrophalen Zustände in den Flüchtlingslagern im Mittelmeerraum gelesen und dann noch einen über den Krieg in Syrien mit all seinen unheilvollen Allianzen und nicht endenwollendem Verlauf. Und da soll man Weihnachten feiern. Und das auch noch fröhlich!

Es ist eine unglaubliche Provokation, dass ein kleines Baby, das obendrein noch nackt und bloß in einer Krippe liegt, der Retter, der Heiland der Welt sein soll. Da stellt der Evangelist Lukas die Welt auf den Kopf. Ein Messias, der muss doch führungsstark und mit Macht auf die Welt kommen. So, wie die Messiasse von heute auftreten. Die mit bulligem Gang, festem Blick und markigen Sprüchen das natürliche Recht des Stärkeren predigen. Die am liebsten alle Armen und Andersdenkenden des Landes verweisen wollen, um so „ihre“ heile Welt zu errichten.

Trotzdem. Ich glaube, Lukas hat mit seiner Geschichte dennoch recht. Und auch der Prophet Jesaja, der in eindrücklichen Bildern seine Vision von einer geheilten Welt beschreibt: „Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen [….]. Wolf und Lamm sollen beieinander weiden“ (Jes 65, 20.25).

Da herrscht Frieden und nicht Krieg. Da regiert die Liebe und nicht der Hass. Da geht es um das Leben und nicht um den Tod. Da beschreibt einer die Vision eines Friedens auf Erden, wie er sein soll. Kein zerbrechlicher Waffenstillstand. Sondern gelebte Sanftmut und Barmherzigkeit. Als radikale Alternative zu dieser Welt.

Das ist eine Provokation zur Hoffnung. Darum lese oder höre ich die biblischen Texte zu Weihnachten immer wieder gerne. Weil sie mir jedes Jahr aufs Neue von ihr erzählen. Meinen Sinn berühren. Mich ins Nachdenken bringen. Genauso wie die Lieder an Weihnachten, wie z.B. Ich steh an deiner Krippen hier oder Stille Nacht, heilige Nacht.

Wie furchtbar wäre das Leben ohne die Hoffnung, von der sie singen und erzählen. Die Texte und Lieder von Weihnachten richten sich gegen das Entsetzliche der Welt. Halten meinen widerspenstigen Glauben aufrecht. Stärken meine Sehnsucht nach Veränderung. Ich glaube: Weihnachten ist eine ganz wichtige Provokation. Es beharrt darauf, dass die Welt geheilt werden kann. Fröhliche Weihnachten!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29921
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