SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

06DEZ2019
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Im Märchen vom Schlemihl verkauft Schlemihl dem Teufel seinen Schatten. Das nimmt kein gutes Ende. Es bringt nichts, sich die Schatten weg zu lügen, sie zu verkaufen oder zu leugnen. Menschen müssen sich zu ihnen verhalten.

Unsere Schatten, sie sind da. Um das zu wissen braucht man keinen Knecht Ruprecht, der einem die Verfehlungen des letzten Jahres mit der Rute vorhält. Die Schatten sind auch nicht weg, nur weil Advent ist und einem der Nikolaus die Stiefel gefüllt hat. Doch obgleich diese Schatten da sind, ob es nun düstere Gedanken sind, alte Schmerzen, verfehlte Gelegenheiten oder Trauer, können Menschen mit ihnen und zugleich jenseits der Schatten leben. Im 1. Kapitel des Lukasevangeliums heißt es in einem Lobgesang, dem so genannten Benedictus: Das aufgehende Licht aus der Höhe besucht uns, auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis. Als Christin glaube ich: Gott ist barmherzig mit uns Schattenmenschen, barmherzig mit unseren Herzensdunkelheiten, barmherzig mit unserer Unbarmherzigkeit - anderen gegenüber, vor allem aber uns selbst gegenüber. Letzteres ist manchmal am schwersten zu ertragen. Von Gottes Barmherzigkeit singt das Benedictus: Das aufgehende Licht aus der Höhe besucht uns.

Dieses Licht hat ein Geschenk mitgebracht. Es ist ein Licht der Hoffnung, dass die Schatten nicht das letzte Wort haben.

Die Lichter dieser Adventszeit sind für mich als Christin Zeichen dieser Hoffnung. Und ich weiß, dass diese Lichter auch Hoffnungszeichen sind für Menschen, die gar nicht an Gott glauben wollen oder können. Auch sie zünden Lichter an und wünschen sich, dass ein warmer, barmherziger Schein in unsere Welt kommt. Sie hoffen auf Frieden für sich, für die Menschen, die sie lieben, für diese Welt. Das teilen sie mit Christinnen und Christen.

Jenseits der Schatten sollen wir leben dürfen. Auf einem gesegneten Weg. Wir brauchen unsere Schatten nicht an den Teufel verkaufen, wie Schlemihl im Märchen. Wir dürfen mit und jenseits von ihnen sein.

Benedictus heißt auf Deutsch: Gesegnet. In den Klöstern wird das Benedictus traditionell am ganz frühen Morgen gebetet, an der Schwelle zwischen Schatten und Tag. Ich finde, das passt an diesem Adventsmorgen. Ich wünsche Ihnen allen einen gesegneten Weg in diesem Advent.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29858
weiterlesen...