SWR3 Gedanken

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Ein Auge ist, das alles sieht ... so hat man uns Kindern damals manchmal den lieben Gott vorgestellt. Eine Art Big Brother im Himmel sozusagen, dem nichts verborgen bleibt. Nicht das verschämte Anlügen der Eltern, nicht die Schummelei bei der Klassenarbeit, ja nicht mal der angeblich unzüchtige Gedanke. Gott war einer, der einfach alles über jeden wusste, ob man wollte oder nicht. Ein überall präsenter Oberaufseher.
Von dieser bedrückenden Vorstellung eines göttlichen Big Brother haben sich die meisten mittlerweile längst verabschiedet. Um so unbehaglicher freilich ist der Gedanke, dass der Oberaufseher, der nichts mehr vergisst, in unserer schönen neuen Medienwelt durch die Hintertür wiederzukommen scheint, und kaum jemand stört sich noch daran. Auf die Frage, was Google eigentlich so speichert antwortete ein Firmensprecher einmal: „Alles.“ Auf die weitere Frage, ob es dafür denn keine Grenzen gebe, sagte er nur: „Nein, die gibt es nicht. Google vergisst nichts.“ Zumindest wohl nichts, was je irgendeiner mal ins weltweite Netz eingestellt hat. Keine Frage, für die schnelle Recherche, auch hier beim Radio, ist das ein Segen und eine unerschöpfliche Fundgrube. Doch wenn in naher Zukunft noch intelligentere Suchmaschinen mit ein paar Mausklicks alles zusammentragen können, was je zu einer ganz bestimmten Person im Netz gespeichert wurde? Dann werden viele von uns sich noch wundern, was sie da alles über sich finden – und mit ihnen jeder andere, der es gar nicht wissen sollte.
Ehrlich gesagt war mir Gott als allwissender Aufpasser da wesentlich lieber. Denn der behielt die Dinge, die er wusste, wenigstens für sich.

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