Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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23NOV2019
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Selbstgerechtigkeit hat einen schlechten Ruf. Trotzdem bin ich manchmal dafür. Denn Selbstgerechtigkeit hilft mir bei folgendem Problem: Sehe ich die großen Weltprobleme, kann mir angst und bange werden. Und mein eigener Beitrag zur Lösung erscheint mir verschwindend gering: Wie soll ich mit meinen Pfandflaschen die Umwelt retten und mit meiner Spende das Elend in Afrika wenden, wie soll meine einzelne Stimme den Rechtsradikalismus stoppen?
Ich höre die bekannten Gegenargumente: Wenn jeder an seinem Platz etwas Gutes tut und viele daran teilnehmen, dann wird die Welt als Ganzes ein Stück besser. Da mag was dran sein. Was aber, wenn ich der Einzige bin oder wir nur wenige sind? Bin ich dann am Ende vielleicht sogar der Dumme? Also wenn ich wegen der Umwelt aufs Fahrrad umsteige und damit nur noch mehr SUVs Platz mache. Oder wenn die teuren Bio-Produkte nur meinen Geldbeutel belasten, aber nicht besser sind, und die Erfinder der Öko-Siegel sich ins Fäustchen lachen.
Hier komme ich nicht weiter, wenn ich nur frage: Lohnt mein Einsatz? Mir ist deshalb eine zweite Frage genauso wichtig geworden: Was für ein Mensch möchte ich eigentlich sein? Möchte ich ein Mensch sein, der die Schöpfung mit seiner gedankenlosen Lebensweise belastet? Oder der von weltweiter Ungerechtigkeit unberührt bleibt? Nein, so ein Mensch möchte ich nicht sein. Deshalb versuche ich zu tun, was ich kann. Und zwar erst einmal unabhängig davon, ob das die Weltprobleme löst. Und ganz ohne Überheblichkeit oder Besserwisserei. Ich richte den Anspruch an mich, nicht an andere. Ich möchte mir selbst und meiner Vorstellung von einem guten Leben gerecht werden.
Diese Art von Selbstgerechtigkeit hat ihren eigenen Wert. Und trägt vielleicht sogar zur Lösung der Weltprobleme bei.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29801
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