Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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21NOV2019
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Ich bin entschieden gegen die Abschaffung des Bargeldes. Denn mit dem Bargeld verschwindet ein Stück Barmherzigkeit aus unserem Alltag: Im Urlaubsparadies Mallorca gibt es immer weniger Straßenmusikanten. Die Sänger und Musiker verdienen nämlich nicht mehr genug. Zum einen sitzt bei den Touristen das Geld nicht mehr so locker wie früher. Zum anderen haben aber die, denen es auf einen Euro nicht ankommt, oft gar kein Bargeld mehr dabei. Sie bezahlen alles mit Karte, sparen sich damit den lästigen Umgang mit Bargeld. Nur haben sie dann auch nichts mehr dabei, was sie im Vorübergehen einem Musikanten – oder auch einem Bettler – in den Hut werfen könnten. Einzelne Musiker haben deshalb schon ein Kartenlesegerät dabei. Aber das funktioniert nicht so richtig. Für Mini-Beträge ist die Kartenzahlung aufwendig, und wer gibt schon gerne seine Daten einem wildfremden Musikanten im Touristengetümmel.

Wenn ich mir das für Deutschland vorstelle und auf unseren Alltag übertrage, dann sehe ich einen großen Verlust: Ohne Bargeld gibt es keine Spende mehr im Vorübergehen. Musiker, aber auch Obdachlose und Bettler werden leer ausgehen. Das ist aber nicht nur für die ein Verlust. Es ist auch ein Verlust für diejenigen, die sich bisher mitten im Alltag von der Not anderer anrühren lassen, so dass sie anhalten und ihre Geldbörse öffnen. Nicht der Geldbetrag ist entscheidend, sondern die tätige Aufmerksamkeit für andere. Ohne Bargeld fällt das weg.

Wir hatten schon einmal eine solche bargeldlose Zeit: Im Mittelalter hatten wohlhabende Bürger und Adlige im Alltag kein Geld dabei. Rechnungen zu bezahlen war Sache eines Höflings oder der Hausfrau. Nur am Sonntag, zum Gottesdienst nahmen die Adligen Bargeld mit. Denn da warteten die Armen am Kircheneingang auf eine Gabe. Und ganz selbstverständlich war der Gottesdienstbesuch mit einem Almosen an diese Menschen verbunden. Es war Teil des Gottesdienstes. Und dafür brauchte man Bargeld.

Die Verbindung zwischen Gabe und Gottesdienst ist vielleicht kaum noch bewusst. Aber der gelegentliche Euro ist immer noch ein kleines Zeichen der Aufmerksamkeit und Anteilnahme. Das sollte erhalten bleiben. Deshalb bin ich gegen die Abschaffung des Bargeldes.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29799
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