SWR4 Abendgedanken

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14NOV2019
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Es sind zwei Dinge, die Karin Walter nicht für möglich gehalten hätte: Sie ist die Vorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbundes in Württemberg. Diesen Verband gibt es seit mehr als 100 Jahren. Und zum ersten Mal seit Jahrzehnten wächst der Verband. Während überall in der katholischen Kirche die Mitglieder austreten, flattern Karin Walter jeden Monat neue Beitrittserklärungen ins Haus. Seit der Verband gegründet wurde, kämpft er für die Gleichberechtigung von Frauen in Politik und Gesellschaft- früher für das Wahlrecht, noch immer für gleiche Löhne. Und vor allem für eine katholischen Kirche, in der Frauen und Männer gleichberechtigt miteinander leben und arbeiten.

Und jetzt tut sich was. Frauen tauchen wieder auf und treten auf. Frauen, die über die Jahre resigniert hatten. „Es ändert sich ja so und so nichts in unserer Kirche“. Das ist der Tenor gewesen. Sie hatten ihre Kirche aufgegeben. Fast. Dann der Missbrauch Skandal in der katholischen Kirche, der in den vergangenen Jahren ans Licht gekommen ist.  Das hat die Situation verändert. Insbesondere bei Frauen haben die Untersuchungen dazu große Wut ausgelöst. Ihre Botschaft haben sie daraufhin klar an die Kirchenleitung formuliert: „Es gibt kein weiter so. Eine Männer-Kirche tragen wir nicht mehr mit“. Und: „Es gibt keinen Grund, Frauen von der Weihe auszuschließen“.

Dieser Aufbruch unter den katholischen Frauen hat gleichzeitig eine dunkle Seite zum Vorschein gebracht. Das ist die zweite Sache, die sich Karin Walter niemals hätte vorstellen können: nämlich, dass sie eines Tages beschimpft wird. Und zwar heftig. In E-Mails und Briefen. Am Telefon. Sie erzählt, dass sie die Briefe vernichtet hat: „So viel Hass wollte ich nicht in meiner Wohnung haben“. Die meiste Post hat sie diesen Sommer erhalten. Sie hat sich mit der Aktion Maria 2.0 für den Streik katholischer Frauen in der Kirche eingesetzt. Weshalb sie beschimpft wurde? Sie würde die katholische Kirche verraten, weil sie gegen Gott handle und weil sie die Kirche spalten wolle. Das sind die Vorwürfe der Absender. Viele Male ist sie in die Hölle gewünscht worden und auf den Scheiterhaufen. Andere Beleidigungen sind deutlich unter der Gürtellinie gewesen. Karin Walter ist mit Worten bezeichnet worden, die sie nicht aussprechen möchte.

Was mich dabei am meisten schockiert: Die Absender dieser Hass-Briefe sind katholische Christinnen und Christen. Das jedenfalls behaupten sie von sich selbst. Doch das passt nicht zur katholischen Kirche. Denn das Wort „katholisch“ bedeutet von seinem griechischen Ursprung her "allumfassend", katholisch grenzt nicht aus. Strömungen gab und gibt es in jeder Kirche, katholisch wie evangelisch. Aber Hass passt nicht mit dem Christ-Sein zusammen.

 

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