SWR4 Abendgedanken

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12NOV2019
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Ich muss zugeben, diese Ozeanriesen beeindrucken mich. Wenn ich an der Nordsee am Strand gestanden habe und ein Kreuzfahrtschiff vorbeigefahren ist, dann bin ich beinahe ehrfürchtig gewesen. Diese Größe! Und die Vorstellung, was es da alles an Bord gibt: Swimmingpool, Kinosaal, Restaurants, Theater, Boutiquen, Fitnessstudio. Eine kleine, schwimmende Stadt. Damit einmal über die Meere zu fahren, dafür könnte ich mich begeistern. Den ganzen Tag in die Weite schauen. Meeresluft um die Nase wehen lassen und in fernen Ländern anlegen. Dazu an Bord ein rundum Sorglos-Paket; samt Arzt und Seelsorger. Es mag sein, dass ich zu oft „Traumschiff“ im Fernsehen angeschaut habe.

Doch ich zögere, diesen Urlaubstraum weiter zu verfolgen. Denn in Sachen Klimaschutz kommt der Kreuzfahrttourismus gar nicht gut weg. Das liegt vor allem daran, dass die Schiffe richtige Dreckschleudern sind. Sie verbrennen fast ausschließlich Schweröl.  Das enthält Schwefel, Asche, Schwermetalle und andere giftige Substanzen. An Land müsste solch ein Stoff als Sondermüll entsorgt werden. Rußpartikelfilter wie bei den Autos gibt es kaum. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Kreuzfahrtschiffe, sondern für alle Hochseeschiffe.

Trotzdem. Das Reisen zum Schutz des Klimas ganz einzustellen, das halte ich für keine gute Alternative. Nur wenn wir weiter unterwegs sind, ist Begegnung möglich; und nur so können wir uns dem Fremden nähern und andere Kulturen kennen lernen. Und andersrum: In vielen Regionen ist der Tourismus Lebensgrundlage für die Menschen. Reisen zu dürfen ist obendrein ein hohes Gut! Wir müssen nur 30 Jahre im eigenen Land zurückschauen: Welch ein Jubel war das – die Reisefreiheit war sicher eine der großen Errungenschaften für die ehemaligen DDR-Bürger.

Aber es ist an der Zeit, sich über die Ökologie des Reisens Gedanken zu machen: Billigfliegerei, für 30 Euro mal schnell übers Wochenende nach Mallorca, das ist Irrsinn, das muss nicht sein. Jeder weiß mittlerweile, wie man anders leben und reisen kann, Informationen dazu gibt es reichlich. Einmal mehr in den Zug steigen, nicht jedes Jahr fliegen, am Urlaubsort mehr zu Fuß und mit dem Rad unterwegs sein. Man muss es halt ändern wollen. Das ist manchmal anstrengend. Und so verwendet der eine oder andere auch gerne eine Ausrede: „Als Einzelner kann ich ohnehin nichts bewirken“ und „das Flugzeug fliegt doch trotzdem, auch ohne mich“.

Mehr als zwei Millionen Deutsche Urlauber sind vergangenes Jahr mit einem Kreuzfahrtschiff unterwegs gewesen. Weltweit waren es fast 30 Millionen. Wenn sie alle auf klimafreundliche Schiffe bestehen würden - was wäre das für eine Macht! Dann wäre auch ich mit an Bord.

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