Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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14NOV2019
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Heute vor 79 Jahren hat die deutsche Luftwaffe verheerende Bombenangriffe auf die englische Stadt Coventry geflogen. Dabei sind über 4000 Häuser zerstört und über 500 Menschen getötet worden. Von der Kathedrale ist nur eine Ruine stehen geblieben. In die Restmauer hat der Domprobst spontan die Worte meißeln lassen: FATHER FORGIVE – Vater vergib.

Damit war etwas in Stein gemeißelt, was weltweit Kreise ziehen sollte, auch wenn es lange dauerte. 

Vergebung: In meiner Stadt Pforzheim habe ich erlebt, dass das wirklich möglich ist:

Gegen Ende des zweiten Weltkrieges ist Pforzheim von englischen Bombern völlig zerstört worden. Drei Wochen später folgte ein Racheakt, der allem Kriegsrecht widersprach. Die Nazis haben hier fünf englische Fliegeroffiziere, die man gefangen genommen hatte, ermorden lassen. Für die Tat hatten sie Hitlerjungen angestiftet. Jahrzehnte war das Verbrechen vor Ort ein Tabu geblieben.

Nach 38 Jahren begann aber doch die Versöhnungsarbeit. Pforzheimer haben in England Kontakt gesucht zu Angehörigen der ermordeten Fliegeroffiziere. Und zu einem Gedenkgottesdienst ist tatsächlich Marjorie Frost gekommen, die Witwe des ermordeten Harold Frost. Gegen Ende des Gottesdienstes ist ein alter Mann in Tränen ausgebrochen und bekannte: Ich war einer von den Hitlerjungen. Und die Reaktion von Marjorie Frost? Sie wollte den Mörder ihres Mannes kennenlernen und sagte: Ich trage ihm nichts nach. Möge er inneren Frieden finden.

Für mich hat sie damit umgesetzt, was dort in Coventry in Stein gemeißelt ist : Vater vergib.

Und ich finde: So kann Frieden werden, wenn Menschen im Sinne Jesu vergebungsbereit und versöhnungsbereit sind.

Bis heute treffen sich in Coventry in der Ruine der Kathedrale jeden Freitag um 12.00 Uhr Menschen zum Versöhnungsgebet. Und es hat weltweit Kreise gezogen. Was in Coventry praktiziert wird, geschieht auch in 49 deutschen Städten und über hundert weiteren auf der ganzen Welt.

In dem Versöhnungsgebet heißt es unter anderem:
Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse,
Vater, vergib.
Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr eigen ist,
Vater, vergib.
Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge,
Vater, vergib.
Und das Gebet schließt mit  dem Bibelwort:
Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebt einer dem anderen, gleichwie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29755
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