SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Ich ging im Walde / So für mich hin, / Und nichts zu suchen / Das war mein Sinn.“ Eines jener Goethe-Gedichte, die unsereinem selbst die Schule nicht verleiden konnte. Leicht und genau kommen die Verse daher. Sie vermittelt etwas von dieser „Leichtigkeit des Seins“, für die wir alle eine Antenne haben und sozusagen ständigen Bedarf. Zweckfrei und absichtslos, innerlich offen und wie verträumt, und doch hellwach und präsent, voll da. „Im Schatten sah ich / Ein Blümchen stehen, / Wie Sterne leuchten, / Wie Äuglein schön. // Ich wollte es brechen, / Da sagt’s fein: / Soll ich zum Welken / Gebrochen sein? // Ich grub‘s mit allen / Den Würzlein aus / Zum Garten trug ich’s / Am hübschen Haus. // Und pflanzte es wieder / Am stillen Ort; / Nun zweigt es immer / Und blüht sofort.“
Das Gedicht ist einfach schön , lädt ein, das Dasein und diesen Morgen zu begrüßen. Und es erzählt davon, dass es etwas zu finden gibt, was man nicht suchen muss. Biographisch steht, Goethes Begegnung mit seiner geliebten Christiane Vulpius im Hintergrund. Da hat er die Frau fürs Leben gefunden. Gesucht hat er lang, ein Kostverächter war er bis zuletzt nicht, ein Macho durchaus. Aber hier hat er nicht gesucht, hier ist ihm jemand einfach geschenkt worden, Das Gedicht erzählt von Situationen, in denen wir auch heute noch überraschend beschenkt werden können – ohne zu suchen, ohne zu fordern, ohne zu leisten. Einfach so. „Und nichts zu suchen, / Das war mein Sinn“. Nichts suchen – und dann trotzdem etwas überaus Wertvolles finden. Dazu braucht es Vertrauen und Gelassenheit. Auch mit Glaube hat das zu tun. Was wirklich gilt im Leben, können wir uns selbst nicht herstellen und erzwingen. Ich kann mich noch so sehr nach Freundschaft und Liebe sehnen; ich kann mich auf die Suche machen, alle Antennen ausfahren; aber dass es glückt, kommt von woanders her.
Die Bibel spricht von Gott als dem Geber alles Guten, dem Schöpfer aller Ding. Er lässt sich finden sogar von denen, die ihn nicht suchen. Immer wieder denke ich an ein Wort von Hermann Hesse: „Wer sucht, findet nicht; wer aber nicht sucht, wird gefunden“ – völlig umsonst, überraschend, unbezahlbar und nicht einzufordern. Sich derart finden und beschenken lassen, wird zum Lebensglück. Derart auf Gottes gütiges Wirken vertrauen und sich überraschen lassen, ist die biblische Einladung. Gott ist das Entgegenkommen in Person. Unsereiner sollte mehr lernen, in diesem Sinne empfangsbereit und offen zu sein – durchaus im Sinne Goethes: „Ich ging im Walde / So für mich hin / Und nichts zu suchen / Das war mein Sinn“. Was dann geschieht, ist wichtig. Lassen wir uns also überraschen, z.B. heute.
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