SWR3 Gedanken

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14NOV2019
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Donnerstagmorgen, kurz nach zehn. Mein Mann unterrichtet Religion in der Berufsschule. Er kommt ins Klassenzimmer und schreibt ein Wort an die Tafel: Entscheidung. Die knapp dreißig Berufsschüler diskutieren heiß. Darüber wie man den richtigen Beruf findet oder auch was ihnen hilft, wenn sie etwas Wichtiges entscheiden müssen. Mit der Zeit kommt raus, dass für viele aus der Klasse die ganz großen Entscheidungen gar nicht einfach zu fällen sind.

Die Diskussion kommt immer mehr ins Rollen und mein Mann als Lehrer achtet darauf, dass jeder drankommt, der etwas sagen will. Ihm fällt auf, dass zwei, drei Schüler bis jetzt noch gar nichts gesagt haben.

Nach einer Weile spricht ein Mädchen das Thema Schwangerschaftsabbruch an. Sie sagt: „Das ist ja auch eine wahnsinnig schwierige Entscheidung. Vor allem, wenn man erfährt, dass mit dem Baby im Bauch irgendetwas nicht stimmt. Ich wüsste da gar nicht, was ich machen soll.“

Eine andere Schülerin ergänzt dann noch: „Ja, genau. Wenn das Kind vielleicht behindert oder krank auf die Welt kommt, also ich könnte das nicht entscheiden.“

Jetzt ist es einen Moment still in der Klasse. Dann sagt mein Mann: „Also nach unserem Grundgesetz darf und muss das die Mutter entscheiden.“

Jetzt meldet sich Lukas. Er hat bisher noch gar nicht mitdiskutiert. Er sagt: „Also, ihr wisst das vielleicht nicht, aber ich bin auch behindert. Ich habe Probleme mit den Augen, als Kind war das ganz schlimm. Aber wenn ich damals hätte entscheiden dürfen. Ich hätte im Bauch auf jeden Fall gesagt: „Ich will da raus, ich will auf jeden Fall da raus und leben.“

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