SWR3 Gedanken

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11NOV2019
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Ich kenne St. Martin. Schon seit ich sechzehn bin. Martin ist ein guter Freund von mir. Heute Morgen habe ich ihm schon eine Nachricht geschickt. Überschrift: „Hallo St. Martin.“ Ich sage immer wieder mal St. Martin zu ihm. Klar, er hört das nicht gern, aber es passt einfach so gut. Denn mein Martin ist ein bisschen wie St. Martin. Martin hat einen gut bezahlten Job, aber er lebt bescheiden. Er fährt kein großes Auto und macht auch keine teuren Urlaube. Schick essen geht er sehr selten. Aber für seine Patenkinder und Freunde ist Martin nichts zu teuer. Er teilt einfach gern.

Aber trotzdem, so krass wie der echte St. Martin, ist „mein Martin“ dann doch nicht.

Der junge Soldat St. Martin war schon dafür bekannt, dass er extrem großzügig war. Vor der Geschichte mit dem geteilten Mantel hat St. Martin schon fast alles andere an Arme verschenkt – bis auf seinen Mantel eben. Aus heutiger Sicht würde man vermutlich sagen, dass Martin einfach nicht genug „Nein“ sagen konnte. Auf jeden Fall hat er noch sein letztes Hemd gegeben.

Das ist fast zu viel des Guten. Deswegen bin ich ganz froh, dass mein Freund Martin doch kein echter St. Martin ist. „Mein Martin“ hat das nämlich ganz gut raus, dass er viel mit anderen teilt und trotzdem auf sich achtet. Er weiß genau, wann er eine Pause braucht und die nimmt er sich dann auch. Dann geht er zum Beispiel mit Freunden ins Fußballstadion. Oder er legt sich mal einen ganzen Nachmittag lang nur auf die Couch und erholt sich.

Martin teilt seine Kräfte gut ein. Er gibt viel her. Aber er kümmert sich auch um sich. Das bewundere ich an ihm. Darin ist er mein großes Vorbild.

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