SWR2 Wort zum Tag

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„Das Suchen / aufzugeben / ist schwerer / als das Finden“ – diese Notiz finde ich in der Aphorismensammlung von Elazar Benyoetz. In der Tat: das Suchen hat eine eigene Spannung, die sich mit dem Finden löst. Unvergessen ist mir ein Griechenlandurlaub. Wir hatten in Athen einen Wagen gemietet. Den Autoschlüssel hatte einer von uns in der Badehose, als wir schwimmen gingen. Als wir weiterfahren wollten, war der Schlüssel weg. Natürlich ging sofort die Suche los, immer länger, immer panischer. Einer tauchte und suchte am Ufergrund des Meeres, nichts. Nach einer Stunde, als wir verzweifelt in Athen anrufen wollten, schaue ich noch einmal zurück. Da schwimmt das Lederetui mit unserem Autoschlüssel. Wie sich da die ganze Spannung löst, ein unglaublicher Fund, nicht mehr erwartet, einfach überwältigend!
Finden ist etwas Wunderbares. Aber auch das Suchen hat seine Qualität, seinen Reiz. „Das Suchen / aufzugeben / ist schwerer als das Finden“. Oft höre ich den Satz: wir sind doch alle unterwegs; mag es noch so viele Unterschiede geben, letztlich suchen wir doch alle denselben Gott. Jein, möchte ich da sagen. Denn es gibt zweierlei Suchen: die einen suchen, um zu finden; die anderen suchen, weil sie gefunden haben und gefunden wurden. Wem z.B. eine gute Partnerschaft fehlt, der macht sich auf die Suche – unbewusst und indirekt vielleicht, manchmal sogar durch eine direkte Anzeige und Werbung. Er sucht, was ihm fehlt: eine glückliche Beziehung. Wer in solch einer Beziehung schon lebt, sucht auch – aber ganz anders. Er hat ja gefunden, er weiß sich gefunden. Er sucht nicht mehr nach der Beziehung, die im fehlt; er sucht aufgrund der Beziehung, in der er lebt und die er oder sie tiefer gestalten wollen. Das Bemühen zielt nun darauf, einander besser zu verstehen und das Leben tiefer zu teilen. Ja, es gibt zweierlei Suchen.
Kaum einer im Christentum hat diese beiden Formen des Suchens so genau beschrieben wie der heilige Augustinus im 5. Jahrhundert. Augustinus sucht Gott – und findet ihn nach langem Suchen, er findet die Wahrheit, das Evangelium, den lebendigen Gott. Doch Augustinus bleibt weiter auf der Suche, wenn jetzt auch anders. Er schreibt: „Wir wollen ihn suchen, um ihn zu finden. Aber wenn wir ihn gefunden haben, suchen wir noch mehr. Er ist verborgen. Deshalb suchen wir ihn, um ihn zu finden. Er ist unermesslich, deshalb suchen wir ihn erst recht, wenn wir ihn gefunden haben. Daher heißt es: ‚Suchet sein Angesicht ständig‘ (Ps 104,4).“ (Augustinus zu Joh 63; 1,3-8) Augustinus beschreibt das Christwerden wie eine unendliche Liebesgeschichte: immer neu sich finden lassen, immer neu auf die Suche gehen und das Leben entdecken und darin Gott.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=2973
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