SWR3 Gedanken

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31OKT2019
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Es klingt wie ein schräger Ratschlag, den ein renommierter Psychologe mal gegeben hat: Wenn du dich mit deinem Partner so zerstritten hast, dass es keinen Ausweg mehr zu geben scheint, dann nehmt euch einfach fest in die Arme. Mindestens 20 Sekunden lang. Danach wird es euch besser gehen und der meiste Ärger ist wie weggeblasen.

Ich habe das noch nicht ausprobiert, aber es soll funktionieren. Der Grund dafür ist aber nicht besonders romantisch. Er heißt schlicht Oxytocin. Umgangssprachlich wird es auch das „Kuschelhormon“ genannt. Unser Körper schüttet es unter anderem dann aus, wenn wir uns näher kommen. Es entspannt und lässt uns den Menschen neben uns in einem milderen, freundlicheren Licht erscheinen. Und das, was uns vorher vielleicht noch am Anderen gestört hat, ist dann plötzlich gar nicht mehr so wichtig. Doch bis es im Körper zu wirken beginnt, da braucht es eben diese 20 Sekunden. Mir fällt da die Free-Hugs-Campaign ein, die ein junger Australier mal begonnen hat. Auf deutsch: Kampagne für kostenlose Umarmungen. Da steht ein Mensch in der Fußgängerzone und hält ein Schild hoch: Free Hugs oder Gratis-Umarmungen. Und was zuerst wie ein blöder Witz klingt, wird tatsächlich in Anspruch genommen. Wildfremde Menschen bleiben stehen und lassen sich umarmen.

Wie schön wäre es, hab ich gedacht, wenn sich das so leicht auch auf andere Bereiche übertragen ließe. Auf den Kollegen im Büro, der mir mit seinen dummen Sprüchen wieder ständig auf den Senkel geht. Den cholerischen Chef, der bei jeder Kleinigkeit ausflippt, oder den Pegida-Demonstranten, der mit hassverzerrtem Gesicht seine Parolen brüllt. Wahrscheinlich täte es manchem richtig gut, wenn er einfach mal jemanden hätte, der ihn in den Arm nimmt.

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