SWR3 Gedanken

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27OKT2019
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Die Schauspielerin Angelina Jolie hat es gewagt. Nach reiflicher Abwägung hat sie vor einigen Jahren einen Gentest machen lassen. In ihrer Familie gibt es eine erhöhte Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs zu erkranken und Jolie wollte ihr persönliches Risiko wissen. Für sie war es eine schwere und vor allem zutiefst persönliche Entscheidung.

Machen lassen kann das inzwischen eigentlich jeder, auch wenn es in Deutschland stark reglementiert ist. Kommerzielle Anbieter in den USA aber werben sogar damit. Es kostet keine 200 Euro und erscheint erst mal kinderleicht. Ein kleiner Abstrich aus dem Mund reicht schon. Daraus erstellt ein Labor dann eine Analyse meiner Gene. Lässt mich gewissermaßen einen kleinen Blick werfen in Gottes Bauplan. Doch was fange ich dann damit an? Wie würde ich wohl weiterleben mit dem Wissen, dass ich vielleicht zu 70 Prozent an dieser oder jener Krebsart erkranken werde? Wenn ich weiß, dass mein Risiko erhöht ist, im Alter meinen Verstand zu verlieren? Und will ich ernsthaft wissen, wie lange ich womöglich noch zu leben habe?

Ich gebe zu, dass ich trotzdem hin und hergerissen bin. Denn ich zum Beispiel bin auch heilfroh, wenn ich mich auf schwierige Situationen früh einstellen und mental vorbereiten kann. Auf ein wichtiges Bewerbungsgespräch. Einen öffentlichen Auftritt. Oder eine geplante Operation. Doch ich merke eben auch, wie mir das dann alle Leichtigkeit und Lebensfreude nimmt. Weil es mich ständig beschäftigt. Manchmal Tag und Nacht. Und wie befreit ich bin, wenn ich es endlich wieder aus dem Kopf habe. Das ständige Wissen um ein vielleicht erhöhtes Krankheitsrisiko wäre für mich deshalb eher ein nicht enden wollender Alptraum. Denn ob es am Ende wirklich so kommt, kann mir kein Labor der Welt sicher sagen. Und darum wäre es für mich wahrscheinlich keine gute Idee, einen allzu genauen Einblick in meine Gene zu haben.

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