SWR2 Wort zum Tag

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31OKT2019
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Eigentlich ist jeder Tag ein Reformationstag. Waren wir gestern Abend noch erschöpft und müde, sind wir jetzt wieder gestärkt und rundum erneuert – hoffentlich jedenfalls, wenn es mit genügend Schlaf geklappt hat. Regenerieren und reformieren gehören zum Leben. Aber der Gedenktag heute ist doch besonderer Art, vor allem für Protestanten. Der Legende nach habe Luther seine Thesen damals an die Wittenberger Schlosskirche genagelt und die Reformation der katholischen Kirche in Gang gebracht. In der Tat hatte er grundsätzliche Leitsätze verschickt, um Missstände der damaligen Kirche anzuprangern und zu beseitigen. Und dabei hatte er immer auch sich selbst im Blick. Immerhin hatte er sich ja ein halbes Leben lang schon als Mönch um Reformation bemüht. Er wollte mit Gott und sich selbst klar zu kommen. Zeitlebens war er ein betender Mensch, und bis zum Lebensende ging er regelmäßig zur Beichte. Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern, hieß damals die Maxime - angefangen bei sich selbst, aber eben auch in Verantwortung für die Kirche, für die Gesellschaft im Ganzen.

Das ist so aktuell wie und je. Nicht nur der elende Missbrauchsskandal schreit zum Himmel. Die Mitgliederzahlen in den Kirchen sinken rapide, nicht zuletzt junge Menschen vermissen dort das Feuer wenigstens unter der Asche. Da ist nichts los, sagen sie, und wenden sich anderswohin mit ihren Visionen von einer besseren Welt. Ganz neu muss gelernt werden, was für Luther noch selbstverständlich war: z.B. wie Beten geht, und dass Beten etwas mit Engagement zu tun hat. Spiritualität ist ohne Solidarität nicht möglich; Armut ist ein Skandal. Deshalb brandmarkte schon Luther die vergöttlichte Geldwirtschaft. Heutzutage steht die globale Ungerechtigkeit auf der Tagesordnung, und damit die Zerstörung von Umwelt und Mitwelt.

Übrigens hatte Luther nie vor, eine eigene Kirche und Konfession zu gründen. Im Rückgriff auf die biblischen Quellen wollte er die Kirche transformieren, also voranbringen und verwandeln. De facto ist daraus jener Bruch der Konfessionen geworden, der in unserer Zeit zur ökumenischen Bewegung führte – zur Bewegung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Was ist drängender als das? Wie gelingen da Verhaltensänderungen und Transformationen? Was ist politisch zu tun, was kirchlich? Wo kann ich selbst anfangen wie ein Martin Luther damals? Dieser Reformationstag heute hat es in sich, bei Licht besehen.

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