SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

29OKT2019
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Es gibt bekanntlich immer mehr Menschen, die sich nicht religiös verstehen und trotzdem putzmunter sind, Gottseidank. Sie haben mit Kirche nichts am Hut und mit christlichem Glauben auch nicht. Das galt auch für Franz Kafka, der seine jüdische Religion hinter sich gelassen hatte. Umso erstaunlicher ist folgende Notiz von ihm: „Dass es uns an Glauben fehle, kann man nicht sagen. Allein die einfache Tatsache unseres Lebens ist in ihrem Glaubenswert gar nicht auszuschöpfen.“ Und als wollte er sich selbst gleich den Einwand mitliefern, fügt er hinzu: „Hier wäre ein Glaubenswert? Man kann doch nicht nicht-leben.“ Eine erstaunliche Auskunft. Kafka meint ja nicht nur die simple Tatsache der Evolution, dass alles Lebendige am Leben hängt und um das Überleben kämpft. Nein, so etwas wie Urvertrauen ist in jedem Leben im Spiel, eine Zustimmung zum Dasein ganz ursprünglich. So wie es Eltern ausdrücken, die ihr gestürztes Kind tröstend in die Arme schließen. Wie selbstverständlich sagen sie dabei: „es wird doch alles wieder gut“. Was für ein elementares Vertrauen, was für ein Lebensglaube. „Man kann doch nicht nicht-leben.“ Schon diese Tatsache hat Glaubenswert.

Kafka hat solch nachdenkliche Notizen mitten im Umbruch seines Lebens aufgeschrieben, das gibt ihnen noch mehr Gewicht. Nach dem Ausbruch seiner schließlich tödlichen Krankheit – Tbc war damals das, was heute Krebs ist – macht er sich Gedanken über Leben und Tod. Neu und tiefer kommt er zur Überzeugung, dass es in jedem Menschen etwas Unzerstörbares gibt. Und eben davon spricht der Lebensglaube - auch bei denen, die sich nicht religiös verstehen. Deshalb sagt man, die Hoffnung sterbe zuletzt, wenn sie überhaupt stirbt. Da ist dieser basale Lebensglaube. Man könnte paradox sagen: auch wer nicht glaubt, glaubt an etwas, sonst könnte er nicht leben. Und dieses Etwas kann nicht schlecht sein.

Nochmal Kafka: „Der Mensch kann nicht leben ohne ein dauerndes Vertrauen zu etwas Unzerstörbarem in sich, wobei sowohl das Unzerstörbare als auch das Vertrauen ihm dauernd verborgen bleiben können. Eine der Ausdrucksmöglichkeiten dieses Verborgen-Bleibens ist der Glaube an einen persönlichen Gott.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29675
weiterlesen...