SWR4 Abendgedanken

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31OKT2019
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Heute Abend treffen sich viele evangelische Christen zum Gottesdienst, um der Reformation der Kirche zu gedenken. Martin Luther hat den Stein ins Rollen gebracht.

Luther hat seine 95 Thesen veröffentlicht, mit denen er auf Missstände in der Kirche hingewiesen hat. Gleichzeitig hat er vorgeschlagen, wie es besser gehen könnte. Er war sich bewusst, dass das der kirchlichen Obrigkeit nicht gefallen würde. Aber ihm ging es um die Wahrheit. Nur die Bibel soll Grundlage für das Handeln in der Kirche sein.

Vier Jahre später ist er in Worms vor Gericht gestellt worden. Alle seine Schriften sollte er widerrufen. Aber er hat sich geweigert. „Es sei denn, man könne mir einen Irrtum mit der Bibel nachweisen“, soll er gesagt haben.

Luther wurde daraufhin für vogelfrei erklärt. Um ihn nicht der Gefahr der Ermordung auszusetzen, ließ sein Landesherr ihn auf die Wartburg bei Eisenach entführen. Dort hat Luther dann die Bibel aus der lateinischen Sprache ins Deutsche übersetzt. Damit war sie nicht mehr den Theologen vorbehalten, sondern jeder konnte in der Bibel lesen. Für uns heute ist das eine Selbstverständlichkeit, damals eine ganz neue Möglichkeit.

Für mich zeigt der Reformationstag nicht zuallererst die Trennung der Christen, sondern er ist für mich Hinweis darauf, dass wir uns für unsere Überzeugungen einsetzen sollen und auch standhaft bleiben. Selbst wenn man damit andere, neue Wege gehen muss.

Und Reformen braucht es immer und zu jeder Zeit. Schlagworte heute heißen Zölibat, Beteiligung der Frauen auch an Weiheämtern, Mitbestimmung der Gläubigen. Der stille Auszug der Kirchenmitglieder durch Kirchenaustritt zeigt Dringlichkeit.

Es gibt Kirchen, die in diesen Fragen bereits Entscheidungen getroffen haben. So haben die evangelische und die alt-katholische Kirche Synoden, in denen es Mitbestimmung der Kirchenmitglieder gibt. In beiden Kirchen gibt es kein Zölibat, sondern die Geistlichen dürfen heiraten und Familie haben. In beiden Kirchen steht Frauen der Weg zu allen geistlichen Ämtern offen. Und die Gemeindemitglieder erleben ihre Kirche als gerecht und menschlich.

Für diese Entscheidungen braucht es immer wieder Mut, andere Wege zu gehen und auch ein Auseinandergehen zu riskieren. Denn wenn alle Mitglieder ausgetreten sind, ist es zu spät für Reformen.

Die Zeit für Reformen ist jetzt, damit Menschen Gott wieder finden können.

Der Reformationstag erinnert uns daran.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29651
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