SWR2 Wort zum Tag

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12OKT2019
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In Simbabwe stellen sich Großmütter als Seelsorgerinnen zur Verfügung. Sie sitzen einfach auf einer Bank und warten darauf, ob jemand das Bedürfnis hat, mit ihnen zu reden. Psychotherapeuten gibt es in dem krisengeschüttelten afrikanischen Land kaum, aber viel seelische Not. So kam ein Therapeut auf die Idee, Großmütter für diese Aufgabe auszubilden. Die Frauen nehmen dann auf sogenannten Freundschaftsbänken Platz und bieten an, was sie anbieten können: Zeit, Geduld zuzuhören, und die Weisheit des Alters. Meist, so berichtet eine der Großmütter, gibt sie keine konkreten Ratschläge. Es genügt, wenn sie zuhört und ihre verzweifelten Gesprächspartner dazu bringt, neu über die Situation nachzudenken und selbst Lösungen zu finden.

Mich hat diese Idee aus Simbabwe begeistert. Und ich habe gedacht: Auch bei uns, wo es viele professionelle Therapeuten gibt, wäre das eine prima Sache. Nicht nur, weil man auch bei uns auf einen Therapieplatz manchmal lange warten muss. Sondern vor allem, weil es oft Überwindung kostet, sich professionelle Hilfe zu suchen. Sich dagegen zunächst mal probeweise zu einer freundlichen Oma auf die Seelsorgebank zu setzen, das würde auch mir leichter fallen.

Das Schöne ist: Ein Teil der Idee wird bei uns schon umgesetzt. Seit einigen Jahren gibt es in unserer Kirche eine Ausbildung für „Ehrenamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger“. Ganz normale Menschen aus unterschiedlichen Berufen, mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen erklären sich bereit, anderen zuzuhören – im Krankenhaus, im Altenheim oder bei Besuchen in der Kirchengemeinde. Auch aus unserer Gemeinde haben schon zwei Frauen diese Ausbildung gemacht – und sind jetzt, wenn man so will, auch Seelsorge-Großmütter. Was wohl passieren würde, wenn Sie sich einfach im Dorf auf eine Bank setzen und auf Gespräche warten würden?

Die Erfahrungen der Großmütter aus Simbabwe machen inzwischen Schule in anderen Ländern, nicht nur in Afrika. Auch in New York gibt es inzwischen Freundschaftsbänke, wo Seelsorge-Gespräche stattfinden können.

Ich auf jeden Fall finde das Konzept sehr ermutigend, weil es zeigt: Um anderen Menschen im Gespräch weiterzuhelfen, muss man kein Profi sein. Jeder und jede kann das – mit etwas Ausbildung. Es genügen Zeit, Geduld und Lebenserfahrung. Schön, wenn diese Art der Gesprächskultur wieder auflebt. Nicht nur in der Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29569
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