SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

02OKT2019
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Es war nur ein kleiner, unbedachter Augenblick. Und doch war er lebensgefährlich. Denn in diesem einen Augenblick war mein Freund kurz am Steuer eingenickt. Sekundenschlaf. Doch das Auto raste in dieser Sekunde weiter. In eine Baustelle, in der zum Glück gerade nichts los war. Gut, das Auto: ein einziger Schrotthaufen. Doch meinem Freund und seiner Familie fehlte fast nichts. Nur ein paar Schrammen und ein Schleudertrauma. „Sie sind dem Tod gerade noch mal von der Schippe gesprungen,“ sagten die Polizisten später.

Manchmal braucht es nicht mehr als eine Sekunde, in der das Leben von alltäglich zu lebensgefährlich umschlägt. Und diese Sekunde macht deutlich: Das Leben ist immer gefährdet, wandelt immer auf der Schwelle zum Tod.

Der Unfall führt mir das wieder vor Augen: Ich bin im letzten ohnmächtig. Leben liegt im Letzten nicht in meiner Hand. Ich erlebe vielmehr: Meine Zeit ist begrenzt, mein Können, mein Wissen ist begrenzt. Und ich muss das ertragen und damit zurechtkommen. Aller Protest nützt nichts. Alle Vorsicht auch nicht. Selbst wenn ich etwa im Auto wach bleibe, wer garantiert mir, dass nicht der Fahrer im Auto neben mir kurz einschläft und mich rammt? Letztlich bleibt mir nichts anderes übrig, als diese Ohnmacht anzunehmen.

In der Bibel gibt es eine spannende Geschichte über diese Ohnmacht. Sie erzählt von Jairus. Der hat eine Tochter, die im Sterben liegt. Jairus hat alles unternommen, aber es hat nichts genutzt. Jetzt stirbt sie. Und Jairus weiß, dass er jetzt nichts mehr tun kann, dass er machtlos ist. Aber Jairus weiß auch: Ohnmächtig sein heißt nicht, zu verzweifeln, zu erstarren. Jairus zum Beispiel wendet sich an Jesus. Gibt ihm seine Ohnmacht. Legt seine ganz Machtlosigkeit in die Hände Gottes. Vielleicht, so sagt Jairus, kannst du, Jesus, da noch was machen. Ich nicht mehr.

Mich berührt das sehr. Das Wissen um Sterben und Tod führt bei Jairus nicht zur Verzweiflung. Sondern dazu, dass er sich mit seiner Ohnmacht versöhnt. Jairus macht mir klar: Wer sich seine Ohnmacht eingesteht, der kann neue Kraft gewinnen.

Trotz dieser Erkenntnis können Unfälle passieren, ist das Leben gefährdet. Aber mit dem Wissen um meine Ohnmacht kann ich damit souveräner umgehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29523
weiterlesen...