SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

18OKT2019
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich stehe auf. Instagram hat 15 neue Meldungen für mich. Ich habe sie mir nicht ausgesucht, sie werden mir einfach angezeigt. Nach dem Frühstück steige ich ins Auto und lasse mich zu meiner Arbeit navigieren. Die Route habe ich mir nicht ausgesucht, sie wird mir einfach angezeigt. Ich folge ihr. Im Büro erhalte ich per App die Nachricht, dass mein Saugroboter die Wohnung fertig gereinigt hat. Ich habe ihn nicht angestellt, er ist einfach von selbst losgefahren. Nach vier Stunden am Schreibtisch sitzen, vibriert meine Smartwatch und fordert mich auf, mich mal wieder zu bewegen. Ich habe sie nicht darum gebeten. Als ich am Abend noch ein paar Fakten zu meinem nächsten Urlaubsziel recherchiere, vertraue ich voll und ganz auf die Vorschläge der Suchmaschine. 

Das ich den ganzen Tag mehr mit Robotern zu tun hatte, als mit Menschen, wird mir erst so richtig bewusst, als ich mich am nächsten Abend mit meinem Freund Thomas unterhalte. Thomas ist IT-Experte und er hat mich aufgeklärt. 

Von morgens bis abends sagen oder empfehlen mir Algorithmen, was ich tun soll oder entscheiden sogar Dinge für mich, die mein reales Leben ganz konkret beeinflussen. 

Obwohl ich vom technischen Fortschritt grundsätzlich begeistert bin, bin ich total erschrocken darüber, wie sehr künstliche Intelligenzen mich manipulieren. Muss ich wirklich die angezeigten Meldungen auf Instagram lesen und unbedingt die vorgeschlagene Route fahren? Oder muss ich mich zum Sport zwingen lassen, wenn ich mich abends eigentlich lieber ausruhen würde? 

Ich möchte auch weiterhin selbst entscheiden, frei und selbstbestimmt leben. Deshalb muss ich mir jeden Tag wieder klar machen, wie sehr die digitale Welt mich bestimmt. Und das will ich ja gerade nicht. Also: Augen auf und Hirn an bei allem, was ich nutze. Und vielleicht auch manchmal das eine oder andere Gerät einfach ausschalten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29500
weiterlesen...