SWR3 Gedanken

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„Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck“. Sehr guter Spruch. Nicht nur weil er so knackig klingt, er ist einfach wahr. Der erste Eindruck ist unwiderruflich, nicht wiederholbar. Und er ist gnadenlos schnell und gnadenlos klar. Laut Wissenschaft scannen wir Menschen uns sekundenschnell, rastern den anderen nach Aussehen, Ausstrahlung und Geruch ab und ordnen ihn dann unter attraktiv, nicht attraktiv, oder sympathisch, unsympathisch ein. Oft bleibt dieser erste Eindruck dann auch bestehen. Aber oft stimmt der erste Eindruck eben nicht.
Vor Kurzem hatte ich eine Begegnung, die mir geradezu eine Achterbahn an Eindrücken gebracht hat. Bei einem Essen mit Freunden wurde ich einem älteren Mann vorgestellt. Ich habe ihm die Hand gegeben und ihn freundlich begrüßt. Er aber schob seinen Arm ein paar Zentimeter vor und schaute stur in genau die Richtung, die kilometerweit von meinem Blick entfernt war. Blöder Typ, dachte ich. Weil mir dieser Mann dann beim Essen auch noch gegenüber saß, musste ich mich mit ihm unterhalten. Und mein erster Eindruck von ihm wurde nicht viel besser als er anfing mich zu provozieren, nachdem er erfahren hatte, dass ich für die katholische Kirche arbeite. Trotzdem stieg ich in den Ring und debattierte mit ihm über Gott und die Welt. Und nach und nach begann mir seine bärbeißige Art auch irgendwie zu gefallen. Und mein zweiter Eindruck war: interessant. Als ich dann später am Abend noch erfuhr, dass er vor kurzem einen Schlaganfall gehabt hatte und seit neuestem dreimal die Woche an die Dialyse muss, hat sich mein Eindruck von ihm dann noch mal geändert.
„Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck.“ Wie wahr! Aber wie gut wenn es noch einen zweiten oder dritten Eindruck gibt, der mir dann die Chance lässt einen Menschen besser kennen zu lernen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=295
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