SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

30SEP2019
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ein Tropfen auf dem heißen Stein. So kann man das beschreiben, was Einzelne Gutes tun. Für andere.

Jonas ist musikalisch und würde gerne Horn spielen. Aber er kann nicht in die Musikschule zum Einzelunterricht, weil dafür in der Familie kein Geld da ist. Und ein Horn kann er sich erst recht nicht leisten. Ein Vater aus der Nachbarschaft hat das mitgekriegt und ein Instrument für Jonas organisiert. Für den Monatsbeitrag in der Musikschule findet er Paten, die das ein Jahr lang finanzieren. Ein Junge und die Musik. Ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Anna ist im Heim, sie hat keine Angehörigen mehr. Sie sind alle weggezogen oder tot. Das Heim ist nicht am Ort, wo sie lange gelebt hat. Dort gab’s keinen Platz für sie. Anna wäre sehr einsam, wenn es da nicht die Gruppe von Frauen gäbe, die sich abwechseln und im Heim Besuche machen. Immer eine Stunde jeden Tag. Bei denen, die sonst keinen Besuch bekommen. Das vertreibt die dunklen Gedanken und lässt Anna ihre Einsamkeit eine Weile vergessen. Ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Familie Sabía aus Syrien darf in Deutschland bleiben. Mutter, Vater und die drei Kinder sind glücklich. Aber im komplizierten Gefüge der deutschen Bürokratie finden sie sich noch lange nicht zurecht. Dort, wo sie wohnen, hat sich ein Stadtteiltreff gegründet. Wer ein Problem hat, findet dort einmal pro Woche einen Ansprechpartner, der sich das anhört und weiterhilft. Meistens sind das pensionierte Menschen, die sich gut auskennen mit Formularen und Behörden. Bis die Sabías das in ein paar Monaten selbst können. Ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Das sind drei schöne Beispiele. Aber es sind eben auch Einzelfälle. Nicht überall klappt es so gut. Es gibt viel mehr Situationen, wo Menschen, die etwas brauchen, keine Hilfe erfahren, weil es zu viele sind, weil man sie übersieht oder an ihrer Not vorübergeht.

Wie gut, dass es bei uns eigene Einrichtungen gibt, die sich um die kümmern, die nicht von allein Hilfe finden. In der katholischen Kirche macht das die Caritas. Bei ihr sind Frauen und Männer angestellt, deren Beruf darin besteht, Einzelnen zu helfen. Sie beraten Schwangere, die sich in ihrer Situation überfordert fühlen. Sie entwerfen einen Plan mit Menschen, die an einer Sucht leiden und unterzugehen drohen. Sie kümmern sich um Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz finden, der zu ihnen passt. Auch das sind Einzelfälle. Die Caritas erreicht nicht alle. Es bleiben viele übrig, die keine Hilfe finden. Auch die Arbeit der Caritas verteilt nur Tropfen auf dem heißen Stein.

Aber: Wenn Hilfe gelingt, das steckt an. Und: Steter Tropfen höhlt den Stein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29479
weiterlesen...