Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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25SEP2019
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Eine Frau, die seit vielen Jahren mit immer neuen Krebserkrankungen kämpft und jetzt noch einen Schlaganfall hatte, fragte mich: warum? Warum trifft mich immer wieder das Unglück, wofür werde ich so bestraft?

Ich habe ihr von Hiob erzählt, einem Mann aus der Bibel. Hiob war ein guter Mensch und äußerst wohlhabend. Er hatte alles, was man sich zum Leben nur wünschen kann. Und er war fromm. Es wird erzählt, dass der Teufel mit Gott eine Wette abschloss. Er behauptet: Hiob verliert sofort den Glauben, wenn es ihm schlechter geht. Gott glaubt das nicht, er glaubt an Hiob.

Hiob verliert in kurzer Zeit alles. Seine Kinder, seine Tiere, den ganzen Besitz und er wird mit Krankheit geschlagen, ein ekelhafter Ausschlag bedeckt seinen ganzen Körper. Aber er hält am Glauben fest: der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen, der Name des Herrn sei gelobt. Hiobs Freunde kommen und erklären ihm, er müsse irgendetwas falsch gemacht haben, sonst wäre er nicht so gestraft worden. Aber Hiob glaubt ihnen nicht. Er ist sich keiner Schuld bewusst.

Irgendwann verliert er aber den Mut, er sitzt auf einem Aschehaufen und kratzt mit Tonscherben seine Wunden und verflucht den Tag seiner Geburt. Totale Krise, auch mit Gott.

Dann wendet sich die Geschichte: Gott ist das nicht egal. Der Schöpfer wendet sich seinem Geschöpf persönlich zu. Es ist aber nicht der „liebe Gott“, an den wir in Kindertagen geglaubt haben. Es ist der Fremde, der Unbegreifliche, der „Schöpfer des Himmels und der Erde“.

Er fragt Hiob: wo warst du, als ich die Erde geschaffen habe, wo warst du, als ich die Sterne in den Himmel geworfen habe, wo warst du, als ich Tag und Nacht geschaffen habe. Wo warst du, bevor ich dich geschaffen habe?

Ich finde das absolut fesselnd zu lesen, wie Gott sich dem Menschen offenbart in seinem Elend. Und es liegt ein großer Trost in dieser Begegnung. Hiob hört und staunt und begreift, dass Gott mit ihm nicht auf Augenhöhe steht.

Die Frau hatte Tränen in den Augen, als ich ihr das erzählte. „Ich verstehe ihn nicht“, sagte sie, „aber ich glaube an ihn“.

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