SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Haben Sie schon einmal gemeint, dass Sie sterben, und was ist Ihnen dabei eingefallen? A. was Sie hinterlassen? B. die Weltlage? C. eine Landschaft? D. dass alles eitel war? E. was ohne Sie nie zustande kommen wird? F. die Unordnung in den Schubladen?
Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch hat in einem seiner Tagebücher diesen Fragenbogen entworfen. Mit Fragen, die sicher nicht zu öffentlicher Erörterung geeignet sind, aber zur Selbsterforschung nützlich sein können.
Was ich frappierend finde: den Gegensatz zwischen der dramatischen Situation des nahen Todes und der geradezu banalen Reaktion, wie sie sich in den angebotenen Antworten ausdrückt. Oder sind diese Antworten gar nicht so banal?
Fällt mir angesichts des nahen Todes möglicherweise tatsächlich ein, was ich hinterlasse? Vielleicht eine Familie, vielleicht ein erworbenes Vermögen, eine Frau oder einen Freund, Kinder oder Enkel, vielleicht ein paar Texte, die ich geschrieben habe?
Oder denke ich an die Weltlage? Den ewigen Wechsel von Krieg und Friede? Das, was ich gerne geändert hätte, aber wozu die Kräfte nicht reichten?
Und weiter: Gibt es vielleicht doch etwas, das ohne mich nicht zustande kommen wird? Oder bleibt am Ende nur das schlechte Gewissen, ich hätte meine Schubladen besser aufräumen sollen?
Nein, so banal sind die Fragen auf diesem Fragebogen wirklich nicht. Denn von der Art, wie ich sie beantworte, hängt allerhand ab. Sie haben eigentlich auch ziemlich wenig mit dem Tod zu tun. In Wahrheit zielen s auf das Leben.
Letztlich geht es bei allen Fragen um eine einzige Frage, um die Frage: Wofür lebe ich eigentlich?
„Wir haben nichts in die Welt gebracht; darum werden wir auch nichts hinausbringen“, so steht es im Neuen Testament, im 1. Timotheusbrief. Angesichts des Todes relativiert sich alles. Auch alle denkbaren Antworten auf dem Fragebogen.
Aber es bleibt ein anderes Kriterium zur Beurteilung unseres Lebens. Es bleibt etwas, das Gott uns von allem Anfang mitgeben hat: Die Fähigkeit, menschlich zu sein und aufeinander zu achten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2945
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